Rezension

Flucht aus Syrien

The Map of Salt and Stars - Jennifer Zeynab Joukhadar

The Map of Salt and Stars
von Jennifer Zeynab Joukhadar

Bewertet mit 4 Sternen

"If you don't know the tale of where you come from, " he said, "the words of others can overwhelm and drown out your own. So, you see, you must keep careful track of the borders of your stories, where your voice ends and another begins." The wind rustled the olive leaves, seeming to shake the stars. "Then stories map the soul," Rawiya said, "in the guise of words."

Die zwölfjährige Nour lebt mit ihrer Familie in New York, aber nachdem der Vater gestorben ist, beschließt die Mutter, mit Nour und ihren beiden älteren Schwestern Huda und Zahra nach Syrien zurückzugehen. Da können sie noch nicht ahnen, dass nicht lange nach ihrer Ankunft die Stadt Homs zerbombt und sie auf der Flucht sein werden.

Achthundert Jahre früher. Die sechzehnjährige Rawiya lebt mit ihrer Mutter in bitterer Armut in Ceuta. Auch ihr Vater ist gestorben, der einzige Bruder auf hoher See verschollen. Um sich und ihrer Mutter langfristig ein Auskommen zu sichern, reist sie, als Junge verkleidet, nach Medina, um dort bei dem berühmten Kartographen Al Idrisi in die Lehre zu gehen. Dieser nimmt sie im Auftrag des sizilischen Königs Roger II. mit auf eine abenteuerliche Landvermessungsreise durch die nordafrikanischen Länder. Dabei müssen sie nicht nur immer wieder feindlichen Heeren ausweichen, sondern sich auch gegen bösartige mystische Ungeheuer zur Wehr setzen.

Um die Erinnerung an ihren Vater warmzuhalten, beginnt Nour, dem Feigenbaum vor ihrem Haus in Homs die Geschichte von Rawiya zu erzählen, die sie früher so oft von ihrem Vater hörte. Während der Flucht durch Syrien, Jordanien, Ägypten, Libyen, Algerien und Marocco erzählt Nour auch immer wieder Rawiyas Geschichte weiter. Dabei durchreist die mittelalterliche Landvermessungsexpedition genau die Länder und Städte, durch die auch Nour mit ihrer Familie auf der Suche nach einer sicheren Bleibe irrt. Wie gerne wäre auch sie so stark und mutig wie Rawiya! Dann hätte sie ihre große Schwester in der fremden Stadt besser vor den Vergewaltigern schützen können...

Das Märchen verschmilzt immer wieder mit der erbarmungslosen Realität. Aber auch der "realen" Romanhandlung fehlt es nicht an Poesie und kleinen Alltagswundern. Nour kann in den Stimmen und Geräuschen Farben hören, der Familienfreund Abu Sayeed aus jedem Stein eine Geschichte lesen, und auch Nours Mutter (übrigens eine Kartographin) weiß poetische Weisheiten anmutig zu formulieren. Manchmal ist es für meinen Geschmack fast ein bisschen zu viel des Guten, gleitet der eine oder andere Dialog auch schon mal unmerklich ins Kitschige ab.

Insgesamt gefällt mir aber dieser Ansatz. So habe ich die Geschichte von Krieg und Vertreibung noch nie gelesen. Die Idee ist so charmant wie bedrückend. Die märchenhafte Heldengeschichte ist eine richtige märchenhafte Heldengeschichte, mit dem wunderbaren Pluspunkt, dass es hier ein Mädchen ist, das den Vogel abschießt. Die Fluchtgeschichte liest sich real und grausam. Nur hin und wieder ist es mir einfach ein bisschen zu melodramatisch. Und hier und da gibt es logische Brüche. Dennoch ist die Geschichte raffiniert zusammengewebt, spannend erzählt. Sie war für mich etwas mühsam im Englischen zu lesen, denn das Vokabular ist anspruchsvoll; vieles musste ich nachschlagen, aber dafür kann die Autorin nichts. Ich habe immer wieder beim Lesen gedacht, ein guter Regisseur würde einen phantastischen Spielfilm daraus machen können.