Rezension

Flucht vor der Familie

Auf dem Seil - Terézia Mora

Auf dem Seil
von Terézia Mora

Bewertet mit 3 Sternen

Die ersten zwei Teile der Trilogie von Terézia Mora muss man nicht gelesen haben, um in diesen dritten Band einzusteigen. Zu Beginn erfährt man in kurzen Rückblicken, was dem Protagonisten Darius Kopp auf seiner langen Reise bisher widerfahren ist. Nun ist er auf Sizilien gelandet, hat endlich einen angemessenen Platz für die Asche seiner verstorbenen Frau gefunden und hält sich in Catania als Pizzabäcker über Wasser. Ungewöhnlich an dem Roman ist, dass die Autorin mitten im Kapitel die Erzählperspektive mehrfach wechselt. So bekommen wir einen tiefen Einblick in Darius' Gedankengänge, der trotz erfolgter Mission immer noch orientierungslos wirkt.

Als unerwartet seine Nichte Lorelei auftaucht, ist Darius einerseits gezwungen, sich erneut mit den Konflikten in seiner Familie auseinanderzusetzen, vor der er geflohen ist. Andererseits lenkt ihn der Teenager von seinen eigenen Problemen ab. Er willigt ein, die 17-Jährige für einige Zeit aufzunehmen und steckt seine ganze Energie in ihr Wohlergehen, da sie schwanger ist und unter permanenten Brechanfällen leidet. Bis dahin zog mich die Geschichte sehr in den Bann. Als die beiden jedoch nach Berlin reisen, verlor ich immer mehr das Interesse an der Handlung. Vielleicht lag es daran, dass auf einmal so viele Personen aus Darius' Vergangenheit auf der Bildfläche erscheinen, die ich nicht einordnen konnte. Hier wäre es vielleicht hilfreich gewesen, die ersten zwei Bände zu kennen. 

Fasziniert hat mich Moras experimenteller Sprachstil, der auf originelle Weise die Innenwelten der verschiedenen Figuren beleuchtet. Für den Protagonisten, der ständig in das Leben anderer hineingerissen wird, statt selbst Fuß zu fassen, entwickelt man ein gewisses Mitgefühl. Meine hohen Erwartungen hat die Autorin des großartigen Erzählbands "Die Liebe unter Aliens" dennoch nicht erfüllen können.