Rezension

Flüchtlinge - einst und jetzt

Die UnWillkommenen - Marina Jenkner

Die UnWillkommenen
von Marina Jenkner

Bewertet mit 5 Sternen

„...Ein kleiner Junge am Strand an der türkischen Küste, in rotem T-Shirt und blauer Hose, die dunklen nassen Haare kleben am Kopf, bäuchlings mit dem Gesicht im Sand, drei Jahre alt wie Jasper und tot. Ein Foto, das mich schlucken lässt...“

 

Wir schreiben das Jahr 2015. Jonathan, sechs Jahre alt, erzählt seiner Mutter, dass in seine Klasse ein Junge aus Syrien gekommen ist. Im Bus treffen sie wenige Tage später Rami, den Jungen, mit seinem kleinen Bruder und dem Vater. Sie kommen ins Gespräch.

Kurze Szenen von Flüchtlingsströmen gehen der Autorin durch den Kopf. Dazu gehört auch das Eingangszitat.

Die Autorin hat einen besonderen Roman zum Thema Flüchtlinge geschrieben. Einerseits erzählt sie von ihrer Bekanntschaft mit der syrischen Familie, andererseits gibt es viele Rückblenden in die Vergangenheit und in die eigene Familiengeschichte.

 

„...Da kamen so viele Flüchtlinge, man wusste gar nicht, wo man die alle unterbringen sollte. Die hatten nichts mehr, sie hatten alles verloren. Das war schrecklich, als die ankamen...“

 

Das Zitat beschreibt nicht die aktuelle Situation. Es stammt von Grete, der Oma der Autorin. Damit beginnt deren Bericht über die letzten Kriegstage. Ihr Vater war Bürgermeister in einem Dorf und damit für die Unterbringung der Flüchtlinge verantwortlich. Schon damals wurden Unterschiede gemacht. Wer aus dem Osten kam, war ein Flüchtling, wer aus westlicher Richtung floh ein Evakuierter.

Über Albrecht, den Opa, fallen nur wenige Worte. Er war psychisch gezeichnet von den Erlebnissen im Russlandfeldzug.

Ein anderer Handlungsstrang erinnert an Christel, die andere Großmutter. Sie musste in jungen Jahren aus Ostpreußen fliehen. Erinnerungen an die Flucht gibt es in der Familie nicht. Die Enkelin besucht Kaliningrad. Die Fahrt hinterlässt einen schalen Geschmack.

Und dann gibt es Mo, einen Freund der Familie. Er fährt nach Serbien, um dort in Flüchtlingslagern zu helfen. Sein bitteres Fazit lautet:

 

„...Wenn ich diese Lager mit den unwürdigen Bedingungen schwarz-weiß eingefärbt hätte, hätte mich das an eine andere Zeit erinnert. Ich glaube nicht mehr an Europa...“

 

In der Gegenwart kommt es zu einer freundschaftlichen Beziehung zwischen der Familie der Autorin und Reyhan und Nadim, Ramis Eltern. Natürlich kommt es ab und an zu Missverständnissen. Zu unterschiedlich sind die gewohnten Traditionen. Für beide Seiten wird es ein Lernprozess. Es ist ein Geben und ein Nehmen.

Im Flüchtlingscafè lernt die Autorin weitere Personen kennen. Ihre Schicksale werden kurz erzählt.

Nadim war Rechtsanwalt, auch Reyhan hatte studiert. Doch die Abschlüsse werden nicht anerkannt. Nadim hat auch keine Chance auf eine geförderte Ausbildung, weil er mit 37 Jahren dafür zu alt ist. Die Autorin hilft der Familie durch den Dschungel des deutschen Bürokratismus und stößt immer wieder an Grenzen. Angeboten werden bestenfalls Jobs im Niedriglohnbereich. Die Autorin konstatiert:

 

„...Ich weigere mich zu glauben, dass es Utopie ist, einem geflüchteten Akademiker in Deutschland zu einer Ausbildung oder einer Arbeit zu verhelfen...“

 

In gemeinsamen Gesprächen werden Fest- und Feiertage erläutert. Außerdem wird deutlich, dass beide Religionen auf gleiche Wurzeln zurück gehen. Abraham und Joseph sind zwei Namen, die dabei fallen. Parallelen zeigen sich auch im Bereich der Märchen.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es regt zum Nachdenken an. Gleichzeitig macht die Geschichte Mut, unvoreingenommen aufeinander zuzugehen.