Rezension

Flüchtlingsschicksale - eindringlich wie noch nie

Das Versprechen des Bienenhüters - Christy Lefteri

Das Versprechen des Bienenhüters
von Christy Lefteri

Bewertet mit 5 Sternen

Es gab in den letzten Jahren schon viele Bücher zur Flüchtlingsthematik. Zum Beispiel 'Exit West' von Mohsin Hamid oder 'Der Platz an der Sonne' von Christian Torkler. Beide haben, im Gegensatz zu 'Das Versprechen des Bienenhüters' jeweils eine nicht-reale Ausgangssituation, seien es magische Türen oder ein Deutschland mit 'umgedrehter' Geschichte. Der neue Roman von Christy Lefteri kommt ohne Gedankenexperiment aus und basiert auf den persönlichen Erfahrungen, die die Autorin - deren Eltern selbst fliehen mussten - 2016  als freiwillige Helferin in einem Flüchtlingszentrum in Athen gesammelt hat. Und es zeigt sich wieder einmal - zumindest in meinen Augen - 'echte' Schicksale erreichen uns besser, gehen uns näher und lassen uns tiefer mitfühlen. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Autorin eine Frau ist und daher einen Schreibstil hat, der mich einfach mehr anspricht - auf jeden Fall hat mich 'Das Versprechen des Bienenhüters' tief bewegt.

Der Imker Nuri und seine erblindete Frau Afra müssen aus dem zerstörten Aleppo fliehen, wo sie das Grab ihres kleinen Sohnes zurücklassen. Ihr Ziel ist England, wo Nuris Cousin Mustafa mit seiner Familie auf die beiden wartet, um erneut mit Nuri eine Zucht von Bienenvölkern aufzubauen. 

Der Leser springt zwischen aktuellen Szenen, die Nuri und Afra in den Vorbereitungen zur Beantragung der Aufenthaltsgenehmigung in England begleiten, und Rückblenden, die einschneidende Erlebnisse während der Flucht der beiden zeigen. Nach und nach versteht der Leser, wie es um die Psyche der beiden steht und kann vor allem nachvollziehen, WARUM. Auch bei diesen Schilderungen konnte sich die Autorin auf Leidensgeschichten aus der eigenen Familie stützen, dass sie den Leser selbst Stück für Stück realisieren lässt, was los ist, beschreibt gut, wie man selbst und auch Angehörige psychische Erkrankungen nie auf den ersten Blick erkennen und dann auch nicht wahrhaben will/kann. 

Neben diesem Aspekt ist es natürlich das Schicksal des Paares an sich, das bewegt und kaum zu ertragen ist: das eigene Kind verloren, lebensgefährliche Meeresüberquerung, wochenlang ohne Dach über dem Kopf schlafen, Nacht für Nacht um das eigene Leben bangen, umgeben von Verbrechen und Gewalt, einem Schleuser ausgeliefert... wieviel kann ein Mensch ertragen?

Und was bringt ihn dazu, trotzdem durchzuhalten? In diesem Buch ist es klar: es ist das Versprechen Mustafas, es sind seine Nachrichten über die neuen Bienenvölker, die Nuri antreiben und ihn einen letzten Funken Hoffnung sehen lassen. 

Lefteri zeigt mit ihrem Buch - wenn der Aspekt - vor allem zum Schluss hin -auch in meinen Augen gerne noch etwas mehr hätte betont werden können - dass die Arbeit mit Bienen nicht nur durch deren Produkte gesundheitlich förderlich ist, sondern dass die Auseinandersetzung mit diesem Tier, das wie kein zweites für Zusammenhalt und Vertrauen in unsere Natur steht, auch seelisch heilsam ist. 

Dieses Buch betreibt keine Schwarz-Weiß-Malerei, es gibt nicht die eindeutig 'Bösen' und eindeutig 'Guten', denen Nuri und Afra auf ihrer Flucht begegnen, es zeigt Menschlichkeit in allen Facetten, echt und ungefiltert. Das berührt, geht zu Herzen und bleibt darin. Hoffentlich für sehr lange. Denn dieses Gefühl werden wir in Zukunft sicherlich noch brauchen!