Rezension

Fordernd

Herzklappen von Johnson & Johnson - Valerie Fritsch

Herzklappen von Johnson & Johnson
von Valerie Fritsch

Bewertet mit 3 Sternen

„[…] steckten ihnen Beutelchen mit Kräutermischungen, mit magischen prometheischen Pflanzen in die Brusttasche der Hemden und wussten doch, dass gegen den Tod kein Kraut gewachsen war. Geh und mach uns stolz, schrien viele, komm wieder und mach uns glücklich, murmelten wenige.“
Seite 34

Ich starte gleich einmal mit dem Fakt, der beim lesen dieses Buches als allererstes in Auge springt: Was. Für. Eine. Sprache! Jeder Satz ist wie gemalt. Man kann das Buch fast wahllos aufschlagen und findet einen Satz, der so gut, so schön, so treffend ist, dass man ihn anstreichen will. Gerade wenn es wie zu Beginn um den Krieg oder wie am Ende um Landschaften und Orte geht, findet Fritsch scheinbar traumwandlerisch die richtigen Worte um ein Gefühl von Tiefe und Wahrhaftigkeit zu erzeugen. Nur kann Sprache allein nicht durch einen ganzen Roman tragen. Und tatsächlich war Handlung etwas, das mir hier über weite Teile sehr gefehlt hat!

Fritsch erzähl von Almas Kindheit. Von den Kriegserlebnissen ihres Großvaters. Von ihrer Großmutter, die mit ihren schier endlosen Geschichten und Anekdoten endlich einige Wissenslücken über das Leben der Großeltern schließt, die wie eine Leerstelle über Almas Kindheit standen. Auch über Almas Partner Friedrich und ihren Sohn Emil lesen wir im Laufe des Buches.

Zwar wird deutlich, wie stark der Krieg auch die nachfolgenden Generationen noch beeinflusst aber darüber hinaus hat mir einfach ein Zusammenhang zwischen all diesen Bruchstücken gefehlt. Eine verbindende Handlung über simple Verwandtschaft hinaus. Auch die Kontraste, die Fritsch setzt waren verständlich aber in einem so kurzen Text einfach zu viel des Guten: Almas Großeltern können den Krieg nicht vergessen auch wenn sie gerne würden. Friedrichs demente Mutter hat alles vergessen obwohl sie nicht will. Almas Großvater muss mit seinen Schmerzen leben, Almas Sohn weiß nicht, was Schmerzen sind. Insgesamt sind das einfach viel zu viele spezielle Themen auf so kleinem Raum. Krieg, Demenz, Kindheit, Tod, Schmerzlosigkeit, Wochenbettdepression. Uff!

Auch die Bettszenen zwischen Alma und Friedrich waren ein Störfaktor für mich. Warum muss ich so genau wissen, wie es ist, wenn beide miteinander schlafen? Was habe ich durch diese Info gewonnen außer dass ich unangenehm berührt bin? Andererseits war der Teil über Emil sehr interessant und der letzte Teil mit seinen bildhaften Beschreibungen hat mir ebenfalls gut gefallen.

Alles in allem war "Herzklappen von Johnson & Johnsn" für mich eine sehr zwiespältige Lektüre mit ähnlich vielen Pros wie Contras. Ein fordernder und sehr gehaltvoller Roman der durch seine tolle Sprache einiges wieder gutmacht, was an Handlung fehlt oder an Inhalt zu viel ist.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 25. August 2020 um 19:38

Ist jetzt oft so im modernen Roman, dass er aufzählt und zusammenwürfelt. Sehr seltsam. Schön auf den Punkt gebracht, Minzi!