Rezension

Fortsetzung der schwedischen Psychothriller-Trilogie

Narbenkind
von Erik A. Sund

Bewertet mit 5 Sternen

Auch im zweiten Teil der Victoria-Bergman-Trilogie kann man davon ausgehen, dass bei diesem Psychothriller wieder viel Spannung und vor allem Wendungen zu erwarten sind.

Im ersten Teil der Trilogie verschwand der Sohn Johan von der Kriminalkommissarin Jeanette Kihlberg. Am Anfang dieses zweiten Teils wird Johan gefunden, allerdings muss er ein paar Tage auf der Intensivstation verbringen. Da Jeanette sich von ihrem Ehemann Ake getrennt hat, zeigt Johan ein merkwürdiges Verhalten, dass man einerseits auf sein plötzliches und unerklärbares Verschwinden zurückzuführen ist, oder andererseits auf die Trennung seiner Eltern, wobei hinzukommt, dass Jeanette mehr Zeit bei der Arbeit als zu Hause verbringt.

Mittlerweile verübt eine unbekannte Person Morde an Erwachsene, mit denen Victoria Bergman in der Vergangenheit zu tun hatte. Unter anderem findet Ralf Börje Persson die Leiche der auf der Straße lebenden Frederika Grünewald. Frederika Grünewald kam aus einer Industriellenfamilie, und verbrachte einige Schuljahre auf dem Internat Sigtuna. Frederika galt damals als eine Art Anführerin in einer Mädchenclique. Victoria lernte gemeinsam mit Hannah Östlund und Jessica Friberg am Internat Frederika kennen. Frederika unterzog die drei Mädchen als Schulneulinge damals  unter einer abscheulichen Methode, die man unter Initiationsritus einordnet.

Über die Psychotherapeutin Sofia Zetterlund erfährt man im Laufe dieses zweiten Bandes mehr, was man im ersten Band bereits vermutet hat. Es stellt sich heraus, dass Sofia sich seit einigen Jahren selbst behandelt, denn sie hat die gleiche Erkrankungen wie viele ihrer PatientInnen: dissoziative Störungen. Sofia ist nicht die Sofia für viele sie halten.

Karl Lundström gehörte in der Vergangenheit zu einem Kreis von Männern, deren späteren Ehefrauen ebenfalls das Internat Sigtuna besucht haben. Auch gab es einen sogenannten Anführer in diesem männlichen Elitekreis: Viggo Dürer. Dürer wurde Anwalt und verteidigte unter anderem Karl Lundström, der vor einigen Wochen an den Folgen des Selbstmordes verstorben ist. Viggo Dürer belästigte in der älteren und jüngeren Vergangenheit junge Mädchen. Staatsanwalt Kenneth von Kwist gehört(e) ebenfalls zu dem Elitekreis. Doch nun stellt er fest, dass die Kriminalkommissare Jeanette Kihlberg und Jens Hurtig allmählich der Wahrheit näher kommen. Er muss handeln.

Jeanette Kihlberg und ihr Team stehen weiterhin vor einem großen Rätsel, wer Victoria Bergman ist, und wohin sie verschwunden ist. Doch die Mosaiksteinchen setzen sich Stück für Stück zusammen. Da die Morde an die Erwachsenen Vorrang haben, müssen Jeanette und Jens die Morde an die Jungen aus ermittlungstechnischen Gründen nebenher und unbemerkt aufklären. Denn offiziell gelten die Jungenmorde als aufgeklärt, weil sie keine Identitäten aufweisen.

Die beiden Autoren Jerker Eriksson und Hakan Axlander Sundquist bauten den zweiten Teil der Psychothriller-Trilogie weiter aus, der einem beim Lesen wieder an die Grenze der Unvorstellbarkeit bringt, und für viele Wendungen sorgt, die wiederum die Spannung bis zur letzten Seite halten. Das Netz und die Hintergründe der Missbrauchsväter, Pädophilen, Vergewaltiger und Mörder weiten sich auch in diesem Teil aus. Irgendwann hört man auf, die Ermordeten oder Verstorbenen zu zählen. Dennoch schaffen die Autoren menschliche Verknüpfungen, Abgründe und Schicksale, die nach und nach ein Gesamtbild schaffen. Allerdings werfen die Wendungen am Ende des zweiten Teils neue Fragen auf.

Auch dieser Teil des Psychothrillers hat mich wieder auf sehr spannende Art und Weise gepackt wie auch überrascht aufgrund der Verbindungen zwischen den einzelnen Personen. Mit Brutalität und Grausamkeit haben die Autoren auch in „Narbenkind“ nicht gespart.

Ebenso hat zweite Band „Narbenkind“ ein offenes Ende, so dass man den dritten Band „Schattenschrei“ lesen muss. Denn man weiß bisher immer noch nicht genau, wer wen umgebracht hat.

Ein Zitat möchte ich noch hervorheben: „Die Magensäure des Staatsanwalts [Anm.: Kenneth von Kwist] hat seinem Gewissen einen Geschmack verliehen.“  (S. 459)