Rezension

Fortuna, die launische Göttin

Der Gast im Garten - Takashi Hiraide

Der Gast im Garten
von Takashi Hiraide

Bewertet mit 4 Sternen

Wie ein reissender Fluss, der über alles

Sich erhebt, und alles zerschmettert

Überallhin gelangt sein Lauf

Aller Orten hoch und niedrig

Verändert er die Ufer, sein Bett und seinen Boden,

Lässt die Erde erzittern, durch die er fliesst:

Wie Fortuna in ihrer Raserei

Immerzu und ungestüm, bald hierin und bald dorthin

Die Dinge dieser Welt verschiebt

 

(Aus: „Der Gast im Garten“ S.98. Gedicht von Machiavelli über die Glücksgöttin)

 

Ein Ehepaar (der Mann ist der Erzähler der Geschichte), beide über Mitte dreissig, verlieren ihre alte Wohnung aufgrund unglücklicher Umstände. Durch einen Wahrsager finden sie in einem Vorort von Tokio, im Sommer 1986, einen Garten- und Teepavillon – ein Teil eines 5000 m2  grossen Grundstücks aus den 1950er Jahren mit ausladendem Garten – und können es mieten. Sie befreunden sich mehr oder weniger mit den Besitzern des Grundstücks, einer alten Dame – 80-jährig – und deren Ehemann. Das Haus (Gartenpavillon), welches viele Fenster besitzt, und auch das Grundstück werden im Verlauf des Buches ausführlicher beschrieben, teilweise auf eine wirklich schöne, poetische Art und Weise (wenn der Erzähler z.B. alle Fenster öffnet und der Wind durchs Haus zieht). Der Fund dieses Hauses ist sozusagen der erste Glücksfall für das Paar. Im Frühjahr 1987 ist der Erzähler, welcher Lektor bei einem Verlag ist – und seine Frau ist Korrektorin bei einem anderen Verlag – mit seiner Arbeitsstelle nicht mehr glücklich, hat aber Bedenken zu kündigen. Im Sommer kündigt er seine Stelle dann doch noch und arbeitet fortan zu Hause als Auftrags-Autor.

Der „Gast“, die Katze Chibi, was die „Kleine“ bedeutet, kommt im Herbst /Winter -anfang 1988 als Protagonist in die Geschichte hinein. Der Nachbarsjunge – 5-jährig – adoptiert eine schmale, kleine, streunende Katze (es gibt übrigens viele streunende Katzen in der Geschichte), gibt ihr den Namen Chibi und ein zinnoberrotes Halsband mit Glöckchen. „Glöckchen“ wird sie dann auch vom Ehepaar genannt. Chibi hat ein weisses Fell mit russschwarzen und hellbraunen runden Flecken und tiefgrüne Augen (auf Quint Buchholz‘ Illustrationen mehr oder weniger richtig dargestellt. Die Zeichnungen sind übrigens wirklich schön, nur hätten es ruhig ein paar mehr sein können, vor allem auch mehr von Chibi). Es wird in der Geschichte dann auch viel über Chibi und ihren besonderen Charakter erzählt und wie das Paar die Katze langsam mit adoptiert. Chibi bringt dem Paar das Glück als stetiger Gast um und in ihrem Haus. Sie machen der Katze ein „Katzentürchen“ und ein „Kistchen“. Sie spielen Ball mit ihr und lassen sie einfach Katze sein, d.h. dass sie sie eigentlich nicht einmal streicheln oder aufheben, da Chibi das nicht mag.

Es ist aber nicht nur Chibi, welche Glück ins Leben des Paares bringt, es werden auch andere, kleine Glücksmomente beschrieben (z.B. die Episode mit der Silberlibelle). Nur ist dieses Glück nicht von langer Dauer. Im März 1990 verschwindet Chibi, und das Paar muss sich auch noch nach einer neuen Wohnung umschauen. Wird das launische Glück wiederum Einzug bei dem Paar halten….

 

 

Meinung zum Buch:

Positiv:

Viele schöne, poetisch beschriebene, Momente von kleinen, dem ersten Anschein nach unbedeutenden Dingen, die einem aber wahrscheinlich glücklicher machen als viele andere.

Eine Geschichte die zu einer Zeit spielt (späte 1980er Jahre), welche zum Glück – wie es scheint – noch vor unserem immer hektischeren und digitalisierterem Zeitalter der heutigen „Moderne“ spielt.

Man lernt etwas über japanisches Wohnen und über das Japan der späten 1980er, frühen 1990er Jahre.

Es kommen Katzen vor, welche einmal nicht nur verhätschelt werden, sondern mehrheitlich einfach Katzen sein dürfen (auch wenn mich die vielen streunenden Katzen schon ein wenig entsetzt haben. Immerhin gehören Katzen zu derjenigen Gattung, welche Menschen „Haustiere“ nennen. Wieso ist also der Mensch nirgends auf diesem Planeten in der Lage seinen Katzen auch wirklich ein zu Hause zu geben. Streunende Katzen und auch Hunde sollte es ja eigentlich bei einer verantwortungsbewussten Menschheit gar nicht geben. Na hoffentlich sind diese Katzen wenigsten in der heutigen Zeit kastriert).

Quint Buchholz‘ Bilder zum Buch. Es hätten aber ruhig ein paar mehr sein dürfen.

Machiavellis Gedanken über Fortuna (das Glück), welche sehr gut zum Inhalt der Geschichte passen.

Ein Glossar über die im Buch erwähnten japanischen Ausdrücke.

Negativ:

Manchmal gibt es keinen wirklichen Fluss in der Geschichte. Es ist eher eine Aneinanderreihung von Episoden und Anekdoten. Und es wird immer ein wenig in der Zeit wieder zurückgesprungen (Gegenwart-Vergangenheit-Gegenwart).

 

Wem würde das Buch gefallen?

Ich denke mal, Lesern, welche gerne kürzere (Buch hat 134 Seiten inklusive Glossar), stillere, leicht poetische Romane lesen. Die gerne Geschichten über (nicht verhätschelte) Katzen lesen und sich auch noch ein wenig für Japan interessieren. Die gerne Bilder von Quint Buchholz haben und sich nicht an einer eher episodenhaft erzählten Geschichte stören.

 

Ich glaube auch, bin mir aber nicht wirklich sicher, dass die Geschichte etwas autobiografisches hat.