Rezension

Fragile Freiheit

Die Frauen von Salaga - Ayesha Harruna Attah

Die Frauen von Salaga
von Ayesha Harruna Attah

Bewertet mit 3.5 Sternen

Es ist verrückt, dass in so vielen Kulturen der Welt zu ganz verschiedenen Zeiten der Besitz von Menschen als Sklaven zum Alltag gehörte. Bereits im alten Griechenland haben sich die Königreiche gegenseitig die Leute geraubt, im Römischen Reich mussten Sklaven als Gladiatoren gegeneinander kämpfen, um als Unterhaltungsprogramm das Volk friedlich zu stimmen. Mit der Entdeckung Amerikas haben die europäischen Kolonialmächte die Menschen Afrikas über den Ozean verschleppt und sich mit dem Sklavenhandel eine goldene Nase verdient. Heute bekommen wir es in unserer zivilisierten, westlich-privilegierten Welt nicht mehr hautnah mit, aber Sklavenhandel gibt es wahrscheinlich immer noch. Das sind dann die Nachrichten, in denen von LKWs berichtet wird, in denen man erstickte Menschen gefunden hat. Ein abscheuliches Thema, vor dem ich mich gern wegducken würde, aber es ist richtig und wichtig, sich auch mit diesem Teil der Weltgeschichte auseinander zu setzen.

Ayesha Harruna Attah setzt sich in ihrem Roman mit dem Schicksal ihrer Ururgroßmutter auseinander. Es ist ungefähr die Zeit, in der Europa bereits beide Hände nach Afrika ausgestreckt hat und sich darum bemüht den Sklavenhandel abzuschaffen. Für die innerafrikanischen Stämme ist Sklaverei allerdings noch völlig normal und ist als wirtschaftliches Standbein fest etabliert. Harruna Attah stellt zwei Frauenfiguren in den Mittelpunkt ihrer Erzählung. Die eine ist eine Königstochter, die andere lebt in einem Oasendorf und träumt davon das Schusterhandwerk von ihrem Vater zu erlernen. Beide Mädchen werden durch äußere Einflüsse in ihrer Freiheit beraubt. Wurche lebt ein privilegiertes Leben am Hof ihres Vaters, der bald zum König ernannt werden könnte. Sie wäre gern ganz wie ihre Brüder, die das Kriegerhandwerk erlernen und selbstverständlich bei den wichtigen Unterredungen am Hof dabei sind. Stattdessen wird Wurche aus politischen Gründen verheiratet und schluckt diesen sauren Apfel nur ihrem Vater zuliebe. Ihre Welt engt sich als Ehefrau und Mutter nun noch mehr ein. Aminah lebt in wesentlich bescheideneren Verhältnissen, ist zurückhaltend und nachdenklich. Eines Nachts wird ihr Dorf von Sklavenhändlern überfallen und sie ist plötzlich kein Mensch mehr, sondern nur noch eine Ware. Über viele schmerzhafte Wege gelangt Aminah schließlich als Sklavin an Wurches Seite und eine interessante Beziehung entspannt sich zwischen diesen beiden Frauen.

Abwechselnd wird aus beiden Perspektiven über den Weg der Mädchen berichtet, der sie schließlich zusammenführt. Während es am Anfang wie zwei verschiedene Geschichten wirkt, sorgt nach dem Aufeinandertreffen von Wurche und Aminah der Wechsel zum Ende hin für eine erhebliche Spannungssteigerung. Das Geschehen wird plötzlich von zwei Seiten beleuchtet und damit komplexer, die Figuren noch ein wenig runder.

Ich kann mir vorstellen, dass es Stimmen unter den Lesern gibt, die kritisch anmerken, dass die Sklaverei vielleicht etwas zu vereinfacht dargestellt wird und die Auflösung zu unrealistisch, verkitscht romantisch daherkommt. Das könnte ich ein Stück weit nachvollziehen. Ich persönlich hab mich ganz schnell in die Handlung hineinfallen lassen können und mit beiden Figuren mitgefiebert. Mir gefiel der Erzählton, der einfach gehalten und dennoch ausgefeilt wirkt. Er passt zur Geschichte, die einen kleinen Querschnitt aufmacht über eine Region auf diesem riesigen Kontinent Afrika in einem kleinen Zeitfenster von nur wenigen Jahren. Der Roman erhebt nicht den Anspruch auf lückenlose Geschichtsschreibung, sondern erzählt aus der Perspektive von zwei jungen Mädchen über die Entwicklungen und Veränderungen in ihrem Land, die direkte Auswirkungen auf ihr Leben haben. Für mich war das ein sehr spannender Einblick in eine für mich unbekannte Welt.