Rezension

Frauen als Ausstellungsstücke

Die Tanzenden - Victoria Mas

Die Tanzenden
von Victoria Mas

Bewertet mit 5 Sternen

Roman über ausgesonderte Frauen in Paris zu Ende des 19. Jahrhunderts. Mich hat vor allem die poetische Sprache für sich eingenommen.

In diesem Buch mit dem federleichten Cover schreibt Veronika Mas in sanfter Sprache eine Geschichte aus einer schwierigen Zeit: 1885 wurden aufmüpfige Frauen von dominanten Männern in die Salpêtrière, eine Pariser Irrenanstalt, eingewiesen. Zu Mittfasten fand dort jährlich ein Fest statt, zu der sich die gehobene Pariser Gesellschaft die Hysterikerinnen aus der Nähe ansah. Ein Ereignis, das auch für viele der eingesperrten Mädchen und Frauen ein Höhepunkt des Jahres war.

Die 17jährige Louise, die in Vorlesungen mit Hypnose zu Anfällen gebracht wird, ist davon überzeugt, zum diesjährigen Fest von einem jungen Arzt befreit zu werden.

Eugénie, Tochter aus gutem Haus, hat eine besondere Gabe, die der Familie, vor allem dem Vater, so gar nicht gefällt. Die Frau, die mehr vom Leben erwartet als geheiratet zu werden, wird wenige Tage vor dem Fest ebenfalls in die Salpêtrière eingeliefert, wo sie der Oberaufseherin Geneviève beweist, dass sie nicht verrückt ist. Wird es ihr gelingen, die Irrenanstalt eines Tages wieder zu verlassen?

Mich hat an diesem Buch vor allem die Sprache beeindruckt, die im Gegensatz zum Geschehen so leicht und poetisch ist. Der Autorin gelingt es mit Worten Stimmungen lebendig werden zu lassen: „In der Anstalt herrscht drückende Langeweile. Man schleppt sich durch den Tag, spricht mit jeder, die willens ist zuzuhören, streift durch den Raum, spielt lustlos Karten, betrachtet sein Bild in der Fensterscheibe oder flicht sich gegenseitig die Haare.“ (Seite 39) oder „Es gibt wenige Gefühle, die schmerzlicher sind, als die eigenen Eltern altern zu sehen und festzustellen, dass eine immerwährende Gebrechlichkeit an die Stelle der Kraft tritt, die einst Personen verkörperten, welche man für unsterblich hielt.“ (Seite 160) Auch Beschreibungen über das erwachende Paris oder die Stimmung im Ballsaal haben mich tief beeindruckt.

Fazit: Ein zu recht hochgelobtes Debüt der 1987 geborenen Französin, die damit zeigt, dass es schon immer mutige Frauen gab. Lesenswert!