Rezension

Frauen, die sich schlecht behandeln lassen

Cat Person - Kristen Roupenian

Cat Person
von Kristen Roupenian

Bewertet mit 4 Sternen

In der titelgebenden Kurzgeschichte "Cat Person", die die am häufigsten gelesene Geschichte aller Zeiten sein soll, lernt die 20-jährige Margot einen sehr viel älteren Mann kennen. Mit Robert entsteht in rasantem Tempo eine zum großen Teil über Textnachrichten geführte Beziehung, in der Margot den herrschenden Code nicht verstehen kann oder will. Sie spielt nach einem Drehbuch, das sich mir als Nicht-Amerikanerin nicht erschließt, das naive Püppchen, das zu nichts eine Meinung hat. Damit scheint sie Robert zu umgarnen und findet sich nach kurzer Bekanntschaft mit ihm in seinem Haus beim Sex. Den Moment, in dem sie besser Stopp gesagt hätte, hat sie verpasst, alles andere würde jetzt blöd aussehen – findet sie.  Zu behaupten, Margot hätte schlechten Sex, wie es der Spiegel in seiner Rezension tut,  finde ich hier eine unzulässige Verkürzung. Margot lässt sich von einem Mann schlecht behandeln und hält das offenbar für ein wirkungsvolles Werbeverhalten. Margot hat keinen Schimmer, wer der Mann ist, wo er herkommt, was er arbeitet. Er hat behauptet, Katzen zu mögen – und deshalb kann er kein schlechter Mensch sein, hat Margot sich ihre kleine Welt zurechtfantasiert.  Solange es noch Victim-Blaming gibt, finde ich die Geschichte so aktuell wie notwendig, zumal sie mit der virtuellen Welt der Scheinidentitäten verbunden ist.

Auch in „Ein netterTyp“ tritt ein unscheinbarer Typ auf, der irgendwie fies ist, bizarre sexuelle Gewohnheiten hat. Über 20 Jahre hinweg hat Ted Beziehungen gehabt, in denen beide Partner taktieren, irreführende Signale aussenden und keine Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Frauen unterwerfen sich, lassen sich von Ted schlecht behandeln, womöglich in einem irregeleiteten Samariter-Syndrom, weil sie glauben, nur sie würden diesen speziellen, schwierigen Menschen verstehen. Hier könnte man sich fragen, ob Beziehungen bei Roupenian sich deshalb toxisch entwickeln, weil das amerikanische Datingverhalten so stark ritualisiert und in Phrasen eingemauert wird, dass niemand mehr darüber redet, was die Personen von einer Beziehung erwarten. Dramaturgisch geschickt inszeniert, blickt Ted hier auf 20 Jahre Beziehungsversuche zurück.

Mir hat „Nachtläufer“ gut gefallen, die Erlebnisse eines naiven amerikanischen Studenten, der als Hilfslehrer mit dem Friedenscorps nach Kenia geschickt wird und dort auf eine Klasse 12-jähriger ausgesprochen biestiger frühreifer Mädchen trifft.  Seine Ahnungslosigkeit über die fremde Kultur und seine Hilfslosigkeit sind die andere Seite der Medaille, die Frauen in Cat Person und in „Ein netter Typ“ zeigen.

Wenn ein Buch mit dem Presseecho  „virale Sensation“, „Psychogramm unserer Zeit“, „das Lebensgefühl einer Generation“ vermarktet wird, kann es mit diesen Vorschusslorbeeren nur enttäuschen. Kristen Roupenian zeigt den ganz normalen täglichen Horror von Gewalt, Hass und misslungener Kommunikation. Ihre Figuren haben bizarre sexuelle Gewohnheiten, die Beziehungen wirken toxisch, fast abstoßend. Verschenken würde ich das Buch nicht, bevor ich es selbst nicht ganz gelesen hätte.

Um die Frage zu diskutieren, wann Frauen in Beziehungen endlich die klare Ansage bringen, was sie wollen, und wann sie nicht mehr gefragt werden, warum sie einen kurzen Rock trugen oder warum sie im Dunkeln unterwegs waren, liefert Roupenian jede Menge Diskussionsstoff.