Rezension

Frauen-Schicksalsroman, der leider im Kitsch endet

Das rote Adressbuch - Sofia Lundberg

Das rote Adressbuch
von Sofia Lundberg

Bewertet mit 3 Sternen

Frauenschicksale, so scheint es, sind wieder stark in Mode. Wurde zunächst viel Tamtam um Ida gemacht, so folgt nun (freilich – noch – nicht in überregionalen Medien) „Das rote Adressbuch“ von Sofia Lundberg. In beiden Hörbüchern müssen sich Frauen in den Wirren der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg behaupten. Und dabei müssen die beiden Frauen viele Schicksalsschläge hinnehmen.

Während „Ida“ von Katharina Adler sich eher im Geschichtlichen verliert, drückt „Das rote Adressbuch“ ordentlich auf die Tränendrüse und wird am Schluss zum großen Herzschmerzkino. Das Geschichtliche wird hier eher zur Nebensache, denn in den USA unterscheidet man sowieso keine Länder und spricht vom Krieg in Europa. Sofia Lundberg konzentriert sich ganz und gar auf ihre Protagonistin. Wenn sie die Armut im Stockholm der 1920er Jahre aufgreift, dann erfährt man nicht mehr als dass das Kind weggegeben wurde, weil die Familie arm war.

Die Stärken von Sofia Lundbergs Debütroman sind daher anderswo zu finden: Hauptfigur ist die 96-jährige Doris, die auf ihr Leben zurückschaut. Und so ist auch immer wieder in dem Hörbuch das Leben im (hohen) Alter thematisiert. Die Unterstützung im Haus durch ausländische Pflegekräfte, die Frage nach einem Platz im Pflegeheim, der Umgang mit alten Patienten im Krankenhaus. All das ist eingebettet in den Rückblick auf ein bewegtes Leben.  Wo sonst oft die rüstige Greisin erzählt, kommen hier auch Schmerzen und Leid zum Vorschein.

Das Zweite, das ich an diesem Hörbuch spannend finde, ist die Einstellung einer Generation von Frauen zu ihrem Schicksal. Es wird hingenommen. Und so macht auch Doris kein besonderes Aufheben um ihr Schicksal. Sie wird weggegeben: als Hausmädchen hat sie es besser. Überrascht stellt sie fest, als sie Mannequin wird: das ist ja mehr Arbeit als Hausmädchen. Nach einem Jahr meldet sich ihr Freund aus den USA – sie fährt zu ihm, um ihn zu heiraten. Natürlich bleibt Doris oft nichts anders übrig, als mit dem zu leben, was ihr widerfährt. Was aber meines Erachtens typisch für diese Generation ist und von der Autorin wunderbar eingefangen ist, ist die Art, wie darüber berichtet wird. Doris jammert nicht.

Diese Einstellung ändert sie bis zu ihrem Tod nicht. In ihrem roten Adressbuch, das sie als Kind vom Vater zu ihrem zehnten Geburtstag geschenkt bekam, schreibt sie neben alle Verstorbenen „tot“ an den Rand. Als Leser spürt man, dass sie sich einsam fühlt, sagen würde es Doris von sich selbst allerdings nicht. Sie nimmt es hin, so wie sie auch die vielen Schicksalsschläge, die sie ereilen, hinnimmt. Gerade weil diese Schicksalsschläge mit vielen Wendungen in der Handlung einhergehen, eignet sich das Buch ganz wunderbar als Hörbuch. Man fragt sich als Zuhörer, was diese Frau noch alles ertragen soll und folgt atemlos ihrer Odyssee nach Frankreich, in die USA und zurück nach Schweden.