Rezension

Frauen und der Kampf um ihre Rechte

Die Charité. Aufbruch und Entscheidung - Ulrike Schweikert

Die Charité. Aufbruch und Entscheidung
von Ulrike Schweikert

Dr. Rahel Hirsch tritt ihre erste Anstellung als Ärztin an. Es ist eine unbezahlte Voluntärstelle an der bekannten Berliner Charité Anfang des 20. Jahrhunderts. Neben den Vorurteilen eine Frau zu sein, kämpft Rahel auch mit ihrer jüdischen Herkunft. Sie versucht sich durchzubeißen, trotz aller Widrigkeiten. Sie freundet sich mit der Wäschefrau Barbara an. Barbara begeistert sich für die Frauenrechtsbewegung und gerät immer wieder in Schwierigkeiten, vor allem mit der männlichen Bevölkerung. 

Das Cover schließt sich nahtlos an das des ersten Teils an. Ich empfinde es als angenehm, zeigt es doch wieder nur die Kleidung einer Mitarbeiterin der Charité. Sehr gut gefällt mir dieser Wiedererkennungswert dabei. 
Das Buch ist in mehrere Kapitel eingeteilt, welche betitelt und mit Jahreszahlen versehen sind. Sie haben eine angenehme Länge und sind durch die Abstufung der Jahreszahlen sehr gut zuzuordnen. In den Kapiteln selbst kommt es immer wieder zu Perspektivwechseln, die jedoch durch klare Absätze unterbrochen sind. Außerdem gefällt mir die Auflockerung des Themas durch Briefe und Tagebucheinträge von Rahel sehr gut, vor allem weil sie viele Beschreibungen aus dem Alltag enthalten. 
Die Handlung ist interessant. Es ist keineswegs ein Spannungsroman, es ist einfach eine Geschichte von zwei Frauen die erzählt wird, mit einigen aufregenden Momenten. Man erfährt sehr viel über das Leben in Berlin Anfang des 20. Jahrhunderts, aber eben auch vom Ersten Weltkrieg und der Frauenrechtsbewegung. Gerade zu Beginn dreht sich sehr viel um die Forschung und zugegeben fühlte ich mich dabei manchmal etwas verloren. Es gab diverse Krankheiten die mit Tests und Heilmitteln behandelt bzw. nachgewiesen werden sollten, bei denen Rahel mitgewirkt hat. Allerdings fehlt mir in der Handlung ein wenig der Umgang mit den Patienten, was ja noch Hauptbestandteil des ersten Teils war. Viel mehr dreht es sich nun um die Rolle der Frau und das Durchbrechen der gesellschaftlichen Konventionen. 
Die Charaktere erhalten durch die dauerhafte Begleitung sehr große Tiefe. Dr. Rahel Hirsch scheint mir quasi bekannt zu sein. Sie versucht alles sich in ihrem Job zu behaupten, dies fällt ihr allerdings nicht immer leicht. Auch ihre Gefühle den Männern gegenüber sind absolut authentisch. Barbara ist für diese Zeit ein sehr aufmüpfiges Mädchen. Allerdings kämpft sie für ihre Überzeugung. Beide sind sehr, sehr starke und bewundernswerte Frauen. 
Sprachlich ist dieses Buch, ebenso wie sein Vorgänger, einfach wirklich toll. Die Beschreibungen, die die Autorin nutzt sind einfach zu jedem Zeitpunkt greifbar. Mit nur wenig Vorstellungsvermögen kann man sich einfach mal 100 Jahre zurückversetzen. Es gelingt der Autorin sehr gut authentische Gespräche zu konstruieren. Jeder Charakter spricht seinem Stand entsprechend und ich bin sehr großer Fan von dem Berliner Dialekt, der immer wieder genutzt wird. Es wirkt sehr lebendig. Auch die Briefe und vor allem die Tagebucheinträge haben manchmal sogar einen recht poetischen touch. 

Ein würdiger Nachfolger des ersten Buches. Auch ohne Vorkenntnisse sehr gut verständlich. Einen Punkt Abzug muss ich leider geben, denn trotz der tollen Sprache und super Charaktere fehlt mir ein wenig der Arzt- Patienten- Kontakt und ist mir ein wenig zu viel Forschung. Das Thema Frauenrechtsbewegung habe ich als nicht so vordergründig erhofft, wie es letzten Endes dann doch ist. Nichtsdestotrotz ein wirklich tolles Buch!