Rezension

Frauen unter sich

Gebete für die Vermissten - Jennifer Clement

Gebete für die Vermissten
von Jennifer Clement

Bewertet mit 4 Sternen

Realitätsnah, düster, besonderer Sprachstil

Mexiko, das Umland von Acapulco. Hier lebt ein Dorf voller Frauen und Kinder, deren Männer tot oder verschwunden sind, in die USA oder wohin auch immer. Sie sind vergessen von der Welt – aber nur fast: Drogen- und Menschenhändler entführen routinemäßig junge Mädchen und zwingen sie in die Prostitution. Die Frauen verkleiden ihre Töchter als Jungen, machen sie so unansehnlich wie möglich, graben ihnen Erdlöcher als Versteck.

Hier wächst Ladydi mit ihrer Mutter auf, die verbittert ist ob des Verlusts und Verrats ihres geliebten Mannes und zunehmend dem Alkoholismus verfällt. Eines Tages bietet sich für Ladydi die Chance, in Acapulco als Dienstmädchen zu arbeiten, die sie sofort ergreift. Allerdings ist nichts wie es scheint, in dieser Welt gibt es immer einen Haken – und sie gerät unverschuldet tief in den Sumpf aus Kriminalität.

Die Geschichte wird aus Ladydis Perspektive erzählt. Die Sprache ist oft recht einfach, aber sehr bildgewaltig und poetisch. Sie springt häufig zwischen verschiedenen Zeitebenen, was das Lesen etwas mühsam macht, aber trotzdem stimmig ist im Hinblick auf Ladydi als Erzählerin.

Jennifer Clement hat für diesen Roman 10 Jahre recherchiert und zahlreiche Interviews geführt – ohne das zu wissen, hätte ich die Schilderungen vielleicht für übertrieben gehalten. Das Ausmaß an Elend, Verrohung, Gewalt und Leid ist unfassbar, und davon zu erzählen, von dem Leben dieser von der Welt vergessenen Frauen, ist deshalb sehr wichtig. Wie diese Frauen zusammenhalten und darum kämpfen, ihre Menschlichkeit zu bewahren, ist inspirierend und ein kleiner Hoffnungsschimmer in einem sonst sehr düsteren Buch.