Rezension

Frauenbilder

Die Frauen von Richmond Castle - Tracy Rees

Die Frauen von Richmond Castle
von Tracy Rees

Bewertet mit 3 Sternen

"Richmond Castle" ist der wohl etwas protzige Name eines Townhouses in Richmond in den 20er Jahren, das von der wohlhabenden Familie Camberwell bewohnt wird:
Midge ist die zweite Ehefrau des Familienoberhauptes und leidet zunehmend darunter, dass sie sich im Schatten der ersten Frau Audrey zu befinden scheint, obwohl sie ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Stieftöchtern hat - und offenbar gibt es ein Geheimnis um sie.
Die jüngste Tochter, Ishbel Christina Camberwell, genannt Blue, hat nur ein großes Ziel im Leben: Sie möchte gerne Schreiben. Sie ist den Männern und den gesellschaftlichen Vergnügungen nicht gänzlich abgeneigt, doch kommt eine Heirat entsprechend der gesellschaftlichen Konventionen für sie nicht in Frage.
Delphine hingegen hatte bereits eine schwere Kindheit in Armut und hat vorschnell den Dockarbeiter Foley geheiratet, der sie jedoch quält, misshandelt und demütigt, und so beschließt sie, wegzulaufen und ein neues Leben zu beginnen. Durch einen Zufall kommt sie nach Richmond und wird von Blue und der ganzen Familie Camberwell aufgenommen und unterstützt.

An erster Stelle möchte ich das Titelbild erwähnen, das eine Frau von hinten vor einem Tor zeigt - ein Bild, das momentan in dieser Art so austauschbar wie nichtssagend ist und keine wirkliche Verbindung zum Roman aufweist.

(NIcht nur) mit den Beschreibungen der drei so unterschiedlichen Frauen von Richmond Castle erstellt Tracey Rees ein Sittengemälde über die Stellung der Frau vor hundert Jahren. Jede einzelne ist ein Produkt ihrer Umwelt und versucht, sich mehr oder weniger in ihrer Rolle einzufügen und ihr Leben nach ihren Bedürfnissen zu finden. Dabei werden die Grenzen der Freiheit sehr deutlich aufgezeigt. Doch trotz der schwierigen Themen, die hier zur Sprache gebracht wurden, konnte ich mich zu fast jedem Augenblick wohl fühlen in der Geschichte.

Die Autorin hat einen wunderbar flüssigen und anschaulichen Schreibstil, der großes Lesevergnügen garantiert. Die Schilderung der Orte, der Kleidung usw. lassen ein buntes Bild vor den Augen der Leser*Innen entstehen.

Doch so interessant es auch ist, über die frühen Frauenbilder zu lesen und Vergleiche anzustellen, so unspektakulär sind die charakterlichen Ausschmückungen und das Fortlaufen der Handlung. Auf seltsam distanzierte Weise erschafft Rees ihre Protagonisten, zu denen ich keine innige Beziehung aufbauen konnte und die mir einigermaßen fremd blieben.

Ebenso konnte ich keinen großen Spannungsbogen erkennen; die Suche von Foley nach seiner entlaufenen Frau Delphine und auch die Frage nach Midges Geheimnis bzw die Antwort darauf blieben leider vorhersehbar.  

Zusammengefasst hat Tracey Reed das Thema der "Emanzipation der Frauen" auf völlig unspektakuläre Weise gut und treffend behandelt und ich möchte für diesen ruhigen Gesellschaftsroman durchaus eine Leseempfehlung aussprechen.