Rezension

Fremdbestimmung vs. Selbstbestimmung

Die Hochhausspringerin
von Julia von Lucadou

Bewertet mit 3 Sternen

In dieser Dystopie geht es um die existentiellen Probleme, die ein extrem fremdbestimmtes Leben mit sich bringen kann.
Julia von Lucadou macht uns bekannt mit Riva Karnovsky, einer Hochhausspringerin, sehr beliebt und perfekt in ihrer attraktiven Rolle, die sich aber plötzlich aus diesem glamourösen Leben zurückzieht und in Lethargie verfällt. Dann ist da noch Hitomi Yoshida, die für Psy-Solutions arbeitet und durch geeignete Maßnahmen Riva reanimieren soll, damit sie sich wieder dem Highrise Diving zuwendet. Diese Maßnahmen bestehen in erster Linie aus minutiöser Überwachung, die Gründe für den Rückzug herausfinden und geeignete Therapiemöglichkeiten bieten soll.
Schnell wird deutlich, dass in dieser neuen Welt jeder permanent überwacht wird, bis in die Intimsphäre hinein, um die bestmögliche Optimierung der einzelnen Individuen zu gewährleisten, denn nur dann kann die Gesellschaft funktionieren. So wird auch Hitomi immer mehr bewußt, dass auch ihr Leben komplett fremdbestimmt ist, und wenn sie nicht funktioniert wie gewünscht, erfolgt der gesellschaftliche Abstieg, bis hinaus in die Peripherien, wo die Menschen bei ihren Biofamilien selbstbestimmt leben, aber eben nicht vollkommen sind.
Mir scheint es, als gehe es darum, sich zu entscheiden. Was möchte ich, Ruhm und Anerkennung, wobei ich mich dann aber in totale Fremdbestimmung begebe und mich anpasse, quasi meine eigene Persönlichkeit aufgebe. Oder möchte ich ein Individuum bleiben, selbstbestimmt, aber ohne Rückendeckung durch die Gesellschaft?
Offensichtlich ist Riva es leid, vom System vermarktet zu werden und im goldenen Käfig zu leben. Hitomi hingegen schätzt ein solches Leben, merkt aber sehr schnell, wie schwierig es ist, den gesellschaftlichen Ansprüchen dieser neuen Welt zu genügen.
Ein Sympathieträger ist keiner der Protagonisten, denn Hitomi missfällt mir durch ihren Ja-Sager Status, während ich über Rivas Beweggründe wenig erfahre, da der Roman aus Hitomis Sicht geschrieben ist. Ich denke aber, dass Rivas Aufbegehren ihr Wesen aufwertet.
Die Grundidee der Autorin ist lobenswert und in der heutigen Zeit keine reine Utopie mehr. Allerdings muss ich sagen, dass sich in der Umsetzung eine gewisse Langatmigkeit deutlich macht, denn es passiert einfach seitenweise nichts wirklich Neues, auf der einen Seite ständige Lethargie und auf der anderen permanente Überwachung. Besonders im Mittelteil war die Motivation zum Weiterlesen sehr niedrig. Zum Ende hin kam dann wieder deutlich mehr Spannung auf, denn Rivas und Hitomis weiterer Lebensweg wurde aufgezeigt.
Auf jeden Fall bringt einen die Geschichte um Riva und Hitomi zum Nachdenken. Wie ist unsere Rolle in der Gesellschaft und möchten wir daran etwas ändern?