Rezension

Freunde fürs Leben?

Zwei an einem Tag
von David Nicholls

Bewertet mit 5 Sternen

~°..Eine Zeitreise durch das Leben von Dex & Em..°~

Es ist der Tag ihrer Abschlussfeier, genauer gesagt der 15. Juli 1988, als sich Emma und Dexter kennenlernen. Die schüchterne Emma Morley und der draufgängerische Dexter Mayhew. Zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein können und doch zueinander finden. Trotz aller Gegensätze verbringen sie die Nacht und den darauf folgenden Tag miteinander. Keiner der beiden kann sich die bereits bestehende Vertrautheit zwischen ihnen erkären und doch genießen sie sie in vollen Zügen. So liegen sie die ganze Nacht wach und philosophieren über das Leben. Wo werden sie in 20 Jahren stehen? Werden sie sich wiedersehen?

Das Leben lenkt sie vorerst in verschiedene Richtungen. Lässt sie beide ihr eigenes Leben leben. Mit anderen Partnern, anderen Idealen und anderen beruflichen Werdegängen. Doch der Kontakt zwischen ihnen bleibt bestehen. Ihre Begegnung war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die sie nun für 20 Jahre am jeweiligen Jahrestag wieder zueinander finden lässt. Sie steht wie ein Fels in der Brandung, scheint nahezu unerschütterlich. Briefe und Postkarten werden geschrieben. Und die Frage über ein Miteinander ist allgegenwärtig. Dex und Em. Em und Dex.

War es Schicksal, dass sie sich begegnet sind? Sind sie vielleicht sogar füreinander bestimmt? Gibt es die eine wahre Liebe?

~°..Mein Fazit..°~

Selten habe ich eine Geschichte gelesen, die mir auf Anhieb so vertraut schien wie diese hier. Es kam mir so vor, als wäre ich Emma und Dexter schon einmal begegnet. Als wären sie gute Freunde von mir. Ich spürte ihre Anwesendheit, hörte ihr Lachen und verspürte ihre unausgesprochenen Gefühle füreinander. Sie lagen in der Luft, raubten mir fast die Luft zum Atmen und steigerten die Spannung ins schier Unermässliche. Ich verspürte schnell den Wunsch von Dex & Em als Paar. Nichts wünschte ich mir sehnlicher. Und dennoch blieben ihre Gefühle füreinander so lange unausgesprochen. Nicholls spielte mit mir. Besser als ich es erwartet hätte. Er brachte mich zum Nachdenken: Was ist, wenn man dem Partner fürs Leben begegnet und er dennoch nicht greifbar ist? Was, wenn man Gefühle und Gedanken unausgesprochen lässt, weil man Angst hat vor dem Danach? Weil man selbst noch nicht richtig an die Dinge glaubt. Und plötzlich ist sie weg. Die Chance. Man hechtet ihr hinterher, versucht sie einzuholen. Schafft man es überhaupt, sie einzuholen?

Es ist der Tag ihrer Abschlussfeier, an dem sich Emma und Dexter zum ersten Mal richtig wahrnehmen. Im Raum steht ein One Night Stand, zumindest für Dexter. Doch dass es vielmehr wird als das, ahnt keiner von beiden. Ihre einzige Begegnung wird so bedeutend, dass daraus eine jahrelange Freundschaft entsteht. Eine Freundschaft die von unendlicher Sehnsucht begleitet wird. Der Sehnsucht nacheinander, der Sehnsucht nach einem Miteinander. Dex und Em. Em und Dex. Eine Bindung fürs Leben?!

„Deshalb waren sie jetzt Brieffreunde, Emma schrieb lange, leidenschaftliche Briefe voller Witze, unterstrichener Wörter, gezwungenem Geplänkel und kaum verhohlener Sehnsucht; aus 2.000 Wörtern bestehende Liebesbeweise auf Luftpostpapier. Wie selbst aufgenommene Kassetten sind Briefe ein Mittel, um unausgesprochene Gefühle auszudrücken, und sie verschwendete eindeutig zu viel Zeit und Energie darauf. Im Gegenzug schickte Dexter ihr unzureichend frankierte Postkarten: „Amsterdam IRRE“, „Barcelona ist WAHNSINN“, „Dublin ROCKT“. Heute Morgen gekotzt wie ein REIHER.“ Als Reiseschriftsteller war er kein Bruce Chatwin, trotzdem ließ sie die Postkarten in die Tasche ihres dicken Mantels gleiten, um auf ausgedehnten, schwermütigen Spaziergängen durch Ilkley Moor über den verborgenen Sinn von „VENEDIG TOTAL ABGESOFFEN!!!! nachzugrübeln.“

Zitat, Seite 33/34

Während Dexter mit dem Reisen beginnt und ins Tv-Geschäft stolpert um als trashiger Moderator von kultigen Jugendshows die Tv-Bildschirme zu zieren, muss Emma einen steinigen Weg gehen, um sich selbst zu finden. Bevor sie Lehrerin und Autorin wird, verliert sie sich in einem undankbaren Job und in einer unglücklichen Beziehung. An diesem Zeitpunkt kann Dexter bereits auf sämtliche Höhen & Tiefen seines Lebens zurückblicken. Den Höhen & Tiefen eines Tv-Stars. Es fehlt ihm an nichts und dennoch an allem. Alkohol, Sex und Drogen werden seine drei bedeutendsten Freunde. Er verändert sich. Entwickelt sich zunehmend zum Negativen. Auch Emma bemerkt diese Veränderung. Mit Bedauern. Das Treffen am Jahrestag ist plötzlich nicht mehr das, was es die Jahre zuvor war. Es wird zur Qual. Eine Pflichtveranstaltung, der sie beide nur noch mit Missmut entgegensehen. Dexter scheint vergessen zu haben, was ihm Emma bedeutet. Er ist gelangweilt, demütigend und verletzend. Und bevor er es wahrnimmt, ist das Band der Freundschaft gerissen.
Doch auch über die Jahre ohne einander begleiten sie sich in Gedanken. Man ist sich zu wichtig geworden. Ist ein Teil des anderen. Als sie sich auf einer Hochzeit von Freunden wiedersehen, ist die Freude groß. Plötzlich wird ihnen die Sehnsucht nacheinander schlagartig bewusst. Sie gehören zusammen. Dex und Em. Em und Dex.

David Nicholls erzählt in seinem dritten Roman eine wunderschöne Geschichte. Eine Geschichte, die von der Freundschaft und Liebe zwischen zwei Menschen erzählt. Von der einzigartigen Bindung zweier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein können und doch zusammengehören. Er zeigt, dass die Menschen sich manchmal für den falschen Pfad des Lebens entscheiden und sich dadurch verlaufen. That´s life. Das Leben ist kein Ponyhof. Auch nicht für Emma und Dexter. Doch genau das ist es, was Nicholls Roman so einzigartig und autentisch macht. Er erzählt keinen Kitsch. Sondern eine Geschichte vom Leben. Einem Leben mit all seinen Facetten. Er sorgte sowohl durch witzige Anekdoten für Heiterkeit, als auch durch traurige und dramatische Stellen für Kummer. Sein Schreibstil fesselte und erheiterte mich. Und an manchen Stellen, da rührte er mich zu Tränen. Aus diesem Grund bekommt Zwei an einem Tag 5 von 5 lebenshungrigen Sternen. Denn alles andere wäre eine Beleidigung!