Rezension

from lost to found

Der große Trip - Cheryl Strayed

Der große Trip
von Cheryl Strayed

~~Bereits der Name, den die Autorin nach ihrer Scheidung für sich ge- und erfunden hat, gibt einen Hinweis – "Strayed" bedeutet "Streunerin", jemand, der nicht weiß, wo er hingehört.

 Cheryl ist 1996 gerade mal zweiundzwanzig Jahre alt, als ihre Mutter stirbt, und deren Tod lässt sie komplett die Bodenhaftung verlieren und setzt einen Mechanismus in Gang, der sie zu vernichten droht. Cheryl ist zwar verheiratet, aber wechselnde Männerbekanntschaften und Drogen sorgen dafür, dass ihre Ehe scheitert und sie mit sechsundzwanzig vor den Trümmern ihres Lebens steht. Die Wende bringt ein Reiseführer über den "Pacific Crest Trail", der ihr zufällig in die Hände fällt und ihr Leben nachhaltig verändern wird.

 Der "Pacific Crest Trail" ist ein Wanderweg, der von der mexikanischen Grenze im Süden bis zur kanadischen Grenze im Norden verläuft – eine Herausforderung für trainierte Outdoor-Aktivisten, für Untrainierte kaum zu bewältigen. Aber Cheryl ist finster entschlossen, und so stellt sie Päckchen für die Versorgungsstationen auf ihrem Weg zusammen, die sie dorthin verschickt, Inhalt: 20 $, getrocknete Nahrungsmittel, ein sauberes T-Shirt – und Bücher. Ohne Handy, ohne Kreditkarte, ganz auf sich allein gestellt startet sie ihre Wanderung an der südkalifornischen Grenze zu Mexiko.

 Und dann macht sie sich auf den langen Weg, durchquert bei brütender Hitze die Wüste und bei klirrender Kälte Gebirgszüge. Menschen trifft sie kaum unterwegs, meist ist sie mit sich, ihren körperlichen Befindlichkeiten und Gedanken allein. Und seit vielen Jahren fühlt sie erstmals wieder, empfindet intensiv Schmerz und Freude und stellt sich diesen Gefühlen auch. Cheryl lässt ihr Leben Revue passieren und reflektiert selbstkritisch ihr Verhalten – sie ist ganz und gar nur bei sich selbst. Jeder Schritt, mit dem sie sich dem Ende ihrer Reise nähert – schlussendlich legt sie in den drei Monaten ihrer Tour ca. 1.100 Meilen zurück -, bringt sie auch ganz näher zu sich.

 Bei der Lektüre dieses Buches habe ich mich bestens unterhalten gefühlt, und oft empfand ich die Schilderungen der Autorin spannender als einen Krimi. Sie schildert nicht nur sehr kurzweilig die verschiedenen Etappen auf ihrem Weg entlang des PCT – ebenso spannend wird es, wenn sie ihr eigenes Verhalten in der Vergangenheit hinterfragt.

 Keine Frage, ein toller Reisebericht - nach Innen und Außen, und wie es im Original heißt, „from lost to found“!