Rezension

Frostblüten und Frostfeuer

Frostblüte - Zoë Marriott

Frostblüte
von Zoë Marriott

Wer sich das Cover anschaut und dann den Klappentext liest, wird sich vielleicht denken: och nö, nicht schon WIEDER so eine kitschige Werwolf-Liebesgeschichte! Davon gibt es doch schon viel zu viele! Falsch gedacht, denn erstens geht es hier tatsächlich NICHT um Werwölfe, und zweitens ist die Liebesgeschichte sehr dezent und zurückhaltend geschildert... Und dennoch wunderbar romantisch.

Normalerweise tue ich mich mit High Fantasy (also Fantasy, die in einer anderen Welt spielt) eher schwer, aber "Frostblüte" hat mich von der ersten Seite an gepackt und nicht mehr losgelassen. Die Autorin baut ihre Welt so geschickt auf, dass ich nie den Eindruck hatte, von all den fremden Ländern und Kulturen oder den Namen der zahlreichen Charaktere erschlagen zu werden. Alles ist originell und frisch, und dennoch wirkt es vertraut und spricht es den Leser auf emotionaler Ebene mühelos an.

Der Fantasy-Aspekt steht eher im Hintergrund, abgesehen von Frosts Dämon. Es gibt keine Elfen, Zwerge oder Ähnliches, und auch keine Magie. Aber dennoch hat die Geschichte viel Fantastisches, Märchenhaftes.

Die Charaktere sind großartig, besonders Frost, die Protagonistin. Sie hatte eine schwere Kindheit: ihre Mutter hat sie einerseits geliebt, andererseits aber auch gefürchtet und vielleicht sogar gehasst, wegen des Dämons, über den sie manchmal die Kontrolle verlor. Alle paar Wochen oder Monate mussten sie deswegen weiterziehen, um der Verfolgung durch aufgebrachte Dorfbewohner und Inquisitoren der beiden Kirchen zu entgehen.

Auch im Alter von 17 Jahren hat Frost noch mit dem Dämon in sich zu kämpfen - und mit Selbstzweifeln und Selbsthass, die sie daran hindern, sich auf Freundschaft oder gar Liebe einzulassen. Und so wird die Geschichte, die durchaus genug an Schlachten und Intrigen zu bieten hat, um Fans klassischer Fantasy zufriedenzustellen, auch zur Geschichte einer Selbstfindung. Auf der Suche nach der Feuergöttin, die den Dämon vielleicht vertreiben kann, muss Frost lernen, sich selbst zu vergeben und sich selbst zu vertrauen. Nur sie kann sich selber retten.

Luca, der Anführer der Berggarde, ist fest entschlossen, ihr dabei zu helfen. Er glaubt nicht an Dämonen sondern vermutet, dass Frost aufgrund eines Traumas immer dann in rasende Wut verfällt, wenn sie etwas an dieses Trauma erinnert. Ob er damit recht hat - das müsst ihr schon selber lesen! Ich fand es sehr rührend, wie er sich bemüht, Frost vorurteilsfrei zu unterstützen - auch wenn ihn das am Ende fast ins Verderben stürzt.

Arian, sein bester Freund und Ziehbruder, kommt einem erst vor wie ein aggressiver, unsympathischer Rohling - und tatsächlich kann ihn in der Berggarde außer Luca auch niemand leiden. Aber Frost stellt schnell fest, dass sich hinter der Fassade ein ganz anderer Mensch verbirgt, der ihr gar nicht so unähnlich ist, und so entspinnt sich eine zaghafte Freundschaft. Diese war für mich eins der schönsten Dinge an diesem Roman!

An der Liebesgeschichte hat mir sehr gut gefallen, dass sie nicht unproblematisch ist. Die Liebe ist hier nicht einfach, sie ist kein Allheilmittel, aber sie wird dennoch als Quelle von Trost und Kraft geschildert und gibt dem Buch die nötige Wärme.

Spannung kommt einerseits auf, weil man wissen möchte, ob Frost es schaffen wird, mit sich selbst ins Reine zu kommen und den Dämon zu besiegen, und andererseits, weil die Berggarde es mit einem skrupellosen Feind zu tun bekommt, dessen Handlanger wehrlose Menschen überfallen, ihre Besitztümer stehlen und sie dann töten oder als Sklaven verschleppen. Dabei spricht die Autorin behutsam das Thema Rassismus und Vorurteile an - weswegen ich es auch so schade finde, dass Frost auf dem Cover nicht dunkelhäutig ist, wie sie beschrieben wird.
Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Die Autorin benutzt viele Bilder und Metaphern, die das Thema "Frost" aufgreifen, was dem Buch eine ganz eigene Atmosphäre gibt.

Kontra:
Jetzt, wo ich das Buch gelesen - oder eher verschlungen! - habe, stört mich eines sehr am Cover: das Mädchen sieht überhaupt nicht aus wie Frost! Frost hat kupferbraune Haut, breite Wangenknochen und eine flache Nase. Ich habe sie mir wie eine Inuit vorgestellt, da sie auch aus einer sehr kalten Gegend stammt. Da kommt mir der deprimierende Gedanke: würde sich das Buch schlechter verkaufen, wenn ein dunkelhäutiges Mädchen auf dem Cover wäre?

Zusammenfassung:
Das Buch war für mich eine echte Überraschung und ein ganz großes Highlight!