Rezension

Frühkindliche Schizophrenie?

January First - Michael Schofield

January First
von Michael Schofield

Bevor ich dieses Buch gelesen habe, hatte ich schon diverse Reportagen über Janni Schofield gesehen, sowie Interviews mit ihren Eltern und unzählige Auftritte in Talkshows. Und dabei hatte ich mehr und mehr den Eindruck gewonnen, dass Janni vielleicht gar nicht schizophren ist - sondern ihre Eltern nur mediengeil. Es gibt viele Diskussionen im Internet darüber, und ein Begriff, der immer wieder fällt, ist "Munchhausen by Proxy", eine Verhaltensstörung, bei der Eltern ihren Kindern einreden, dass sie krank sind, oder sie sogar tatsächlich krank machen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Und genau diesen Eindruck hatte ich auch.

Ich kann mich z.B. an eine Szene erinnern, in der Jannis Mutter sie in die Notaufnahme bringt, weil sie angeblich einen psychotischen Anfall hat. Das Mädchen hat ein Messer in der rechten Hand, legt es leicht an ihr linkes Handgelenk und sagt dabei: "Ich schneide mir die Hand ab." Aber sie sagt es ganz ruhig und macht auch keine Anstalten, sich wirklich mit dem Messer zu schneiden. Ihre Mutter macht eine Bemerkung darüber, was man alles tun muss, damit ein Kind in die Notaufnahme aufgenommen wird, und dass sie inzwischen genau weiß, wie das geht.

Ich leide selber an einer schizo-affektiven Persönlichkeitsstörung und weiß leider nur zu gut, wie ein psychotischer Anfall aussieht... So nicht. Nicht so ruhig. Man sagt dann nicht "Ich schneide mir die Hand ab", man versucht, es zu tun. Und ich habe nur eine leichte Störung, während Janis Störung extrem stark sein soll.

Aber ich wollte das Buch dennoch lesen, weil ich dachte, vielleicht kommt das im Fernsehen einfach falsch rüber. Vielleicht wurden manche Szenen nachgestellt und wirken deshalb so unecht. Aber im Buch hat sich der Eindruck, dass hier ein Kind krank gemacht und ausgenutzt wird, um die Eltern in die Medien zu bringen, nur verstärkt. Vielleicht liege ich damit völlig falsch, aber dann handelt es sich hier immer noch bestenfalls um Eltern, die viel zu schnell zu Medimanten greifen, um ihr Kind in den Griff zu bekommen.

Zum Beispiel berichtet der Vater von einem Ereignis, als Janni fünf Jahre alt war. Ihre Mutter hatte sie zum Einkaufen mitgenommen, und das Mädchen begann im Geschäft damit, Sachen aus den Regalen zu reißen und auf den Boden zu schmeissen. Das finde ich an sich noch nicht so ungewöhnlich - kleine Kinder haben nun mal Trotzanfälle. Was macht die Mutter also? Anstatt in irgendeiner Form Erziehungsmaßnahmen zu ergreifen, lässt sie die Kleine direkt in eine psychiatrische Klinik einweisen!

Und immer wieder pochen die Eltern bei den Ärzten darauf, dass Janni mehr Medikamente bekommen soll, weil sie angeblich nicht mehr zu kontrollieren ist. In einem Kapitel berichtet ihr Vater, dass sie Seroquel bekommt - genau das Mittel, was ich ebenfalls nehme, aber Janni nahm im zarten Alter von 6 Jahren die 5-fache Dosis von dem, was ich als 37-jährige nehme! Irgendwann kommt Janni in eine Klinik, in der die Ärzte nicht direkt versuchen, alles mit Medikamenten zu beheben, sondern stattdessen ansprechen, dass die Eltern mit konsequenter Erziehung sicher schon eine Besserung erreichen könnten, und besonders die Mutter verlangt stur immer wieder, dass dem Mädchen anti-psychotische Beruhigungsmittel gespritzt werden sollen - obwohl es in anderen Kliniken mehr als einmal vorgekommen war, dass Janni nach so einer Spritze stundenlang halb bewusstlos und sabbernd auf dem Boden lag und sich einnässte.

Der Vater scheint von seiner Tochter regelrecht besessen zu sein. Er beschäftigt sich jede freie Sekunde mit ihr und geht dabei nicht nur selber so auf ihre imaginären Freunde ein, als wären sie echt, sondern reagiert auch mit Zorn und Hass auf Menschen, die andeuten, dass sie vielleicht nur eine lebhafte Fantasie hat. Beide Elternteile lassen ihr so ziemlich alles durchgehen, egal, ob sie jetzt jeden Tag nur Cheeseburger essen will, ob sie andere Kinder schlägt oder ob sie sich weigert, sich selber die Zähne zu putzen oder alleine zu duschen. Sie braucht nur zu schreien, und schon heißt es, sie bekommt einen psychotischen Anfall - und dann wird gemacht, was sie will. Und egal was sie tut, sie kann die Schuld immer auf ihre imaginären Freunde schieben.
Manches fand ich auch nicht sehr glaubwürdig. In einem Kapitel wird immer wieder berichtet, dass die Eltern quasi in Todesangst vor ihrer Tochter leben, die schlägt, beißt und kratzt. Zwei erwachsene Menschen. Ein fünfjähriges Mädchen. Kein Wunder, dass sie gewalttätig wird - Kinder testen ihre Grenzen aus, und wenn die Eltern schreiend weglaufen, hat man als Kind die Macht, und dann gibt es keine Grenzen.

Da fragt man sich schon, ob dieses Kind wirklich schizophren ist, oder nur geradezu auf extremes Verhalten gedrillt. So oder so tut mir January Schofield leid, denn ob sie nun schizophren ist oder nicht, sie hatte eine schreckliche Kindheit, konnte nie normal zur Schule gehen, hat kaum echte Freunde... Und ihre Eltern haben ihr wieder und wieder das Gefühl gegeben, dass sie eine Last ist.

Trotz meiner Zweifel am Inhalt war das Buch spannend zu lesen und ich konnte es gar nicht weglegen. Aber im Nachhinein habe ich mich darüber geärgert, es gelesen zu haben. Eine normale Kritik ist daher für mich nicht möglich und ich werde neutrale Bewertungen hinterlassen. Wer sich für Schizophrenie oder psychische Krankheiten bei Kindern interessiert, wird dieses Buch sicher auch interessant finden, aber ich würde dennoch eher keine Empfehlung aussprechen, weil ich denk Eindruck habe, dass man als Leser hier ein verzerrtes Bild präsentiert bekommt.