Rezension

Frühwerk Ferrantes überzeugt nicht: kalt und leidenschaftslos

Frau im Dunkeln - Elena Ferrante

Frau im Dunkeln
von Elena Ferrante

Bewertet mit 3 Sternen

Mein erster Ferrante hat mich gar nicht überzeugt. Klar, man kann jede Menge Intellektuelles in das Buch hineinlesen - was bedeutet, dass es einen intellektuellen Leser hätte. Aber das Buch ist nicht intellektuell, sondern schlicht, leidenschaftslos und ziemlich künstlich. Nicht zu Verwechseln mit "künstlerisch!

Leda, eine Professorin für englische Literatur, macht eine Ferienreise an einen kleinen südlichen Ferienort, gemütlich, alleine, mit Büchern, Sonnenlotion, gutem Essen, Wein, genießt Sonne, Sand und Strand und Freizeit. Alsbald macht sich an ihrem Lieblingsort jedoch eine typische italienische Familiensippe breit. Deren Gebaren und besonders eine junge Frau mit Kind darunter, erinnern Leda an ihre eigene Zeit als junge Mutter, die sie lieber vergessen würde: denn sie hat alles falsch gemacht. Doch plötzlich ist alles wieder gegenwärtig und bringt sie gehörig durcheinander.

 

Mit Leda hat die frühe Ferrante eine merkwürdig undifferenzierte und indifferente Figur geschaffen. Wollte Ferrante sich mit der Schaffung der Leda wirklich mit der Überhöhung der Mutterrolle befassen, die besonders in Italien fast einen Kultstatus innehat, also die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufzeigen? Falls ja, gelingt es der Autorin nur bedingt.

 

Zwar wird klar, dass Leda mit den verschiedenenen Bedürfnissen, die sie als Frau, Mutter, und intellektuelle öffentliche Person hat, nicht umgehen kann. Sie kann sie weder einordnen noch artikulieren und erlebt deshalb eine zunehmende Entfremdung von sich selbst und ihrer Umgebung.

 

Dennoch bleibt Ferrantes Leda in einer diffusen, ziellosen Innenschau stecken, im Selbstmitleid, in der Nichtartikulation und Nichtreflektion und ist nicht fähig, eine wie auch immer geartete Lösung anzulaufen. Alles, was geschieht, passiert aus purem Zufall.

 

Eine so hin- und hergeworfene schwache Persönlichkeit wie Leda leistet keinen adäquaten Beitrag zu dem spezifischen gesellschaftlichen Problem, nämlich dem Spagat, den viele Frauen hinlegen müssen, wenn sie beides wollen: Familie und Beruf. Das Problem wird zwar angerissen, aber nicht konsequent verfolgt. Der Leser hat eher den Eindruck, dass Leda überfordert und labil ist. Ergo: Frauen sind labile Geschöpfe und kriegen es nicht auf die Reihe: Vielen Dank, Frau Ferrante!

 

Wunderbar beschrieben dagegen ist die Atmosphäre am Urlaubsort. Man kann die lärmenden Italiener hören und fühlen, und sie nerven einen schon von weitem! Das Atmosphärische rettet den Roman, der auch mit weiteren schwachen Protagonisten wenig zu bieten hat, vor der völligen Pleite.

 

Fazit: Bezüglich des Inhalts mehr als wackelig aufgestellt, kann die Story atmosphärisch und mit der Darstellung italienischen Lebensgefühls punkten. Aber das ist insgesamt zu wenig! Man merkt, dass „Die Frau im Dunkeln“ ein Frühwerk der Autorin ist.

 

P.S. Dass es drei Sterne hat, ist ein Versehen. Ein Albtraum der Technik. Zwei möchte ich geben.

 

Kategorie: Anspruchsvolle Literatur

Verlag: Suhrkamp, 2018