Rezension

Fünf Frauen, die das Leben beugt, aber keinesfalls bricht.

Die Liebe im Ernstfall
von Daniela Krien

Bewertet mit 5 Sternen

Die Gegenwart ist auch ein Rückblick. Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde: fünf interessante Frauen Anfang vierzig, die in kreativen oder akademischen Berufen arbeiten. Fünf Frauen, die das Leben aus dem Vollen schöpfen. Fünf Frauen, die das Leben beugt, aber keinesfalls bricht. Ihre Lebenswege sind verknüpft. Als Kinder und Jugendliche erlebten sie den Fall der Mauer, und wo vorher Grenzen und Beschränkungen waren, ist nun die Freiheit. Doch Freiheit, müssen sie erkennen, ist nur eine andere Form von Zwang: der Zwang zu wählen. Drei von ihnen sind Mütter geworden - eine Aufgabe, die ihnen viel abverlangt. Und die ihre Beziehungen zu den Vätern der Kinder verändern und letztendlich entzweien wird. Das erhoffte Familienglück zeigt bei allen Risse. Aber alles hat sich verändert. Die Autorin betrachtet die psychologischen Schmerzpunkte ihrer Figuren in Nahaufnahme. Dabei spannt sie erzählerisch dicht sowie stilistisch geschickt den Bogen von der ersten Verliebtheit bis zum Kriseln der Ehen von Paula, Brida und Jorinde und dem Aus der großen Liebe von Malika, die unter ihrer extrovertierten Schwester Jorinde leidet. Deren Beziehung wird jedoch noch eine überraschende Wende nehmen. Einzig Ärztin Judith scheint makellos: Sie vermeidet Verbindlichkeit, dekoriert ihre Praxis mit Porträts ihres Reitpferdes und arrangiert ihre Affären in Dating-Portalen. "Die Liebe im Ernstfall" ist ein ernster Roman, der mit der Leichtigkeit einer virtuosen Erzählung aufspielt. Ein Roman, der das unvermeidliche Scheitern von Lebensentwürfen in eine hochsympathische Normalität überführt und den vitalen Impuls zum Neuanfang nicht auslässt. Beim Lesen des Buches habe ich den besonderen Schreibstil genossen und schon allein deswegen denke ich ist dieses Buch ein überragender Roman. In einer wunderschönen Sprache werden fünf Frauenbiografien in einer Art Reigen erzählt. Auch die feine Zeichnung der Figuren und die akribische Beobachtung menschlicher Eigenheiten sind der Autorin bravourös gelungen. So verschieden die Beziehungen sind, so verschieden sind die Schwierigkeiten, die sich daraus für alle Beteiligten ergeben. Die einzelnen Episoden der Geschichte sind wie Bruchstücke eines zerbrochenen Spiegels, der wieder zusammengesetzt, eindringlichen Blick in das Beziehungsgeflecht von fünf Frauen offenbart. Sehr, sehr Lesenswert! Das bittere Fazit allerdings ist, dass das Glück vor der Erkenntnis liegt.