Rezension

Für das Recht auf Bildung

Unter den Linden 6 - Ann-Sophie Kaiser

Unter den Linden 6
von Ann-Sophie Kaiser

Bewertet mit 3.5 Sternen

Lise Meitner, eine promovierte Physikerin, ist auf dem Weg von Wien nach Berlin, um sich dort bei Max Plank weiterzubilden. Noch im Zug trifft sie auf das Dienstmädchen Anni, welches unglücklich scheint und ängstlich ist, denn sie weiß nicht, was sie in der Stadt erwarten wird. In Berlin angekommen stolpern sie über die recht gut situierte Hedwig, die sich um ein Studium bemühen will. Das ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts alles andere als leicht, denn nur Männer sind zu einem ordentlichen Studium zugelassen und selbst eine Gasthörerschaft ist zu dem Zeitpunkt für Frauen fast unmöglich. Aber die Frauen sind hartnäckig und dabei entsteht unter den ungleichen Frauen eine tiefe Freundschaft.

Der historische Roman ist an Fakten angelehnt, so gab es Lise Meitner tatsächlich und ihre Forschung u.a. mit Otto Hahn hat Bestand. Frauen wie Anni und Hedwig gab es sicher auch, nur gibt es für die beiden keine echten historischen Vorbilder – authentisch wirken sie dennoch und so tut das der Sache keinen Abbruch, denn wie Frauen kleingehalten werden sollten und wie schwierig die Zeit war, wird sehr deutlich. Selbst als erfolgreiche Physikerin und fleißige Mitarbeiterin erhält Lise zunächst kein Gehalt, später nur 60 Prozent für die gleiche Arbeit wie ihre männlichen Kollegen – und trotzdem ist das für die Frauen schon eine echte Errungenschaft.

Die Einblicke in den universitären Betrieb, die Forschung mit Radioaktivität ohne jeglichen Schutz vor der Strahlung, die Bemühungen der Frauen auf eine echte Chance auf Bildung und wie sich manche Männer (Professoren wie Studenten) querstellten sind sehr unterhaltsam. Das Geschehen dehnt sich bis zum ersten Weltkrieg aus und wird aus den Perspektiven der drei Frauen, die Freundinnen werden, geschildert. Spannend ist hier besonders, dass die Frauen unterschiedlichen sozialen Schichten entspringen und entsprechend andere Sichtweisen und Möglichkeiten haben.

Eine gelungene Geschichte, die mich recht gut unterhalten hat, aber nicht in Gänze überzeugen konnte. Immer wieder mal sprachliche Schnitzer drin, die im Lektorat hätten auffallen müssen. „Mich düngt…“ war diesbezüglich eines meiner Highlights – wer düngt da die forsche und dickköpfige Hedwig? Gegen Ende fand ich das Buch zudem relativ schwach und der „Bildungskampf“ verlor zu sehr an Fahrt. Das Buch dümpelte irgendwann mehr oder weniger vor sich hin, war mir zu sentimental und ganz nett, aber eben auch nicht mehr - 3,5 Sterne.