für das Verständnis, andersartige Menschen zu verstehen, eine wunderbare Liebesgeschichte
Bewertet mit 5 Sternen
Der etwas andere Liebesroman von Anna Vaal "Urlaubsschatten und Seifenblasen", erzählt die Geschichte von "Alexander" und "Katharina" aus Sicht des Asperger-Autisten Alexander. Das umfangreiche Nachwort mit ausführlichen Erklärungen zum Thema Autismus und ihren Abstufungen und Auswirkungen von Astrid Blindow rundet das Buch ab. Anna Vaal hat sehr eindrucksvoll Alexander seine Beziehungsgeschichte zu Katharina in dieser Story schildern lassen. Fast schon minutiös folgen wir seinen Schritten, Gedanken und Gefühlen, Zweifeln und Analysen, die er sich selbst und gegenüber seiner Umwelt stellt. Alexander sieht man seine Andersartigkeit nicht an, erst im Zusammenspiel mit anderen Menschen merkt man, seine Realität weicht erheblich von denen anderer Personen ab.
Schon alleine die Anfahrt zu einem Seminar, Entfernungen, Richtung und Zeitspannen bergen Gefahren und Hindernisse, die sogenannte normale Personen nicht nachvollziehen können. Bei einigen Sachverhalten allerdings erwische ich mich dabei wie ich ausrufe, joah, das kenne ich doch auch von mir. Allerdings ist es in der Welt von Alexander noch um ein vielfaches verstärkt. Zum Beispiel störende Gerüche wie Zigarettenrauch oder aufdringliche Parfüme, Werbung, Lärm, Ablenkung jeglicher Art. All das stört die Konzentration auf das Wesentliche, und wenn es sich auch nur um die Auswahl des Essens am Buffet und anschließender Platzauswahl im Raum handelt. Wenn sich dann auch noch eine fremde Person dazusetzen will, ist die Verwirrung komplett. So geschehen beim ersten Gang von Alexander im Hotel, wo er eigentlich nur seinen Hunger stillen will, denn das, so ist ihm klar, das muss schon sein.
Und da sitzt sie nun, Katharina, die nicht versteht, warum dieser Kerl nicht zu ihr aufblickt, sie nicht erkennt, wenn sie sich wiedersehen. Er sie küssen will, wenn sie es nicht will und es dann nicht tut, wenn sie es will. Warum nur schaut er ihr nicht ins Gesicht? Warum tut er sich so schwer damit, ihr zu erklären, dass er Gesichter nicht erkennt, sondern nur anhand von Gegenständen, die sie immer wieder mit sich führen. Vierzehn Tage haben sie, solange dauert das Seminar. Immer wieder erklärt er sich selbst, dass es wieder nichts wird, mit dem Verlieben, mit einer Beziehung, weil er so anders ist. Weil er immer wieder Zeit braucht, um sich zu regenerieren. Es reicht halt nicht, sich ein paar Minuten auszuruhen, im Gegenteil. Das alles macht Katharina neugierig. Dieses direkte Handeln und Analysieren, dieser fremde Humor, den er auch bei ihr ausprobiert und vieles mehr, das ist ihr fremd. Macht ihr aber auch Angst, denn bisher kannte sie einen solchen Menschen nicht. Vierzehn Tage ist auch sie im Hotel, Urlauben will sie. Und macht vielleicht die Erfahrung ihres Lebens. Ob es nach diesen zwei Wochen noch weitergeht, mit dieser für sie völlig neuen Art einer Liebesgeschichte wird natürlich nicht verraten.
Die Autorin schildert das Leben von Alexander, vor allem seine Gedankenwelt, mit viel Feingefühl. Es macht der Leserschaft klar, vielleicht besser als manches Lehrbuch oder Artikel in Fachzeitschriften, was es heißt, so anders zu agieren als andere. Reizüberflutung kennt man vielleicht von sich selber, sodass in dieser Hinsicht ein gewisses Verständnis aufkommt. Aber schon die Tatsache, dass Alexander anderen nicht ins Gesicht schauen kann, weil damit bei ihm eine Überforderung stattfindet, ist nicht leicht nachzuvollziehen. Katharina versucht Alexander bei diesem Punkt entgegenzukommen, nachdem sie verstanden hat, dass es ihm hilft, sie wiederzuerkennen. Und die romantische Seite von Alexander berührt einen zutiefst.
Ja, es ist ein Liebesroman, aber weit weg von Schnulzen oder realitätsfremden Getue. Lesenswert auch für Menschen, die sonst von derartigen Titeln zurückschrecken.
Die Autorin findet man unter https://annavaal.wordpress.com/ und die ersten drei Kapitel bei https://www.youtube.com/watch?v=pSEuy2C_ycU