Rezension

Für Fans von gepflegten britischen Krimis eine klare Empfehlung, für Sherlock-Holmes-Fans ein Muss!

Der Fall des verschwundenen Lords - Nancy Springer

Der Fall des verschwundenen Lords
von Nancy Springer

Bewertet mit 5 Sternen

Ein charmanter neuer Stern am Krimihimmel und Cosy Crime im Sherlock-Universum. Ein sehr überzeugender Start!

Für Fans von gepflegten britischen Krimis eine klare Empfehlung, für Sherlock-Holmes-Fans ein Muss!

 

„Durch niedrig hängende, bleigraue Wolken presste die untergehende Sonne geschmolzenes Licht. Feierlich und gleichzeitig bedrohlich erhoben sich in diesen düsteren Himmel die gotischen Türme der Stadt wie Kerzen auf dem Geburtstagskuchen des Teufels.“ (S. 127)

 

 

Meine Meinung:

Bereits 2006 unter dem Titel „The Case of the Missing Marquess“ erschienen, hat es der erste Band der „Enola Holmes“-Reihe endlich zu einer deutschen Übersetzung gebracht. Wie, Sie haben noch nie etwas von Enola Holmes gehört? Das ist die kleine Schwester von Sherlock und Mycroft Holmes, die - geradezu skandalös spät - als Nachzüglerin geboren wurde und bis zu ihrem 14. Lebensjahr wohl behütet und relativ frei auf dem ländlichen Familiensitz aufgewachsen ist. Doch als ihre Mutter, Lady Eudoria Vernet Holmes, ausgerechnet an ihrem 14. Geburtstag spurlos verschwindet, ist es mit der ruhigen Landidylle von einem Tag auf den nächsten vorbei. Niemand weiß, was mit Lady Eudoria passiert ist – und selbst die aus London angereisten Brüder Sherlock („Held hin oder her, er – seine Manieren – gingen mir allmählich auf die Nerven.“ - S. 41) und Mycroft sind ratlos. Als letzterer Enola dann auch noch auf ein „Mädchenpensionat für höhere Töchter“ („eine andere Bezeichnung für Gruselkabinett“ - S. 80) schicken will, beschließt Enola kurzerhand, den Fall in die eigene Hand zu nehmen und das Weite zu suchen…

 

Charmantes Herzstück und größtes Pfrund dieser typisch britischen Kriminalgeschichte (obgleich von einer US-amerikanischen Schriftstellerin geschrieben) ist die Protagonistin selbst. Enola hat das Herz auf dem rechten Fleck, ist auf den ersten Blick ein so wunderbar erfrischendes Gegenstück zu ihrem berühmten Bruder Sherlock Holmes und hat ganz eigene Talente („kann lesen, schreiben und rechnen; Vogelnester aufspüren; Würmer ausgraben und Fische fangen; und, genau!, Rad fahren.“ - S. 32). Doch im Laufe der Geschichte kommen immer mehr Gemeinsamkeiten mit ihrem Über-Bruder zu tage, sei es ihr Talent fürs Verkleiden oder ein ebenfalls messerscharfer Verstand. In Kombination mit einer manchmal liebenswürdigen Naivität und einer oft kompromittierenden Spontanität ergeben sich immer wieder die herrlichsten Situationen. Enola kann man einfach nur gern haben!

 

Der Fall selbst entwickelt sich eher gemächlich, was mich durch die breit angelegte Charaktervorstellung und den beschwingten und humorvollen Schreibstil („Denn während Pferde schwitzen und Männer transpirieren, glühen Damen.“  - S. 91) aber überhaupt nicht gestört hat. Erst als Enola zu Beginn des dritten Drittels in London ankommt („diese große Jauchegrube, die sämtliche Faulenzer und Müßiggänger des Königreichs unwiderstehlich anzieht“  - S. 31), kommen Spannung, Tempo und Action auf – und zwar rasant! Hierneben besticht das letzte Drittel durch die unglaublich atmosphärische und gelungene Beschreibung Londons durch Enolas Augen. Denn das London, das sie nach ihrer Ankunft erblickt, hat nichts mit dem London aus ihren Vorstellungen gemein.

 

Bis zur letzten Seite hat mich dieses Buch bestens unterhalten, wobei das Ende dieses Buches eigentlich eher den Beginn der Karriere Enolas als wissenschaftlicher Perditor „Dr. Leslie T. Ragostin“ markiert. Wunderbarer Weise schließen sich im Original fünf weitere Bände mit Enola an, von denen ich hoffe, dass sie möglichst bald auch eine deutsche Übersetzung finden werden. (Band 2 ist für August 2019 avisiert)

 

FAZIT:

Ein charmanter neuer Stern am Krimihimmel und Cosy Crime im Sherlock-Universum. Ein sehr überzeugender Start!