Rezension

Für mich ein absoluter Volltreffer

The Promise - Der goldene Hof - Richelle Mead

The Promise - Der goldene Hof
von Richelle Mead

Bewertet mit 4.5 Sternen

Inhalt

Die junge, hübsche Elizabeth mag zwar eine Gräfin sein, doch ihr Titel bewahrt sie und ihre Großmutter nicht vor dem finanziellen Ruin. Um sich finanziell abzusichern, soll sie einen ihrer wohlhabenden Vetter heiraten. Doch von der Vorstellung einer Zwangsehe ist Elizabeth alles andere als begeistert. In ihrer Not nutzt sie den einzigen Ausweg, der sich ihr bietet: Sie tauscht mit ihrer Angestellten Ada die Rollen und geht an ihrer Stelle an den Golden Hof, einer Institution, die aus jungen Frauen aus armen Verhältnissen kultivierte Damen macht, die mit den Junggesellen des neuen Adels verheiratet werden sollen. Elizabeth sieht darin ihre Chance, ein Leben in Freiheit zu führen. Doch am Goldenen Hof ist nicht alles so glanzvoll, wie der Name vermuten lässt, und schon bald muss sie sich entscheiden, ob sie auf ihren Verstand hört - oder auf ihr Herz.

Meine Meinung

Der Inhalt klingt erstmal so, als würde man Aschenputtel mit einer Folge von The Bachelor kombinieren. Elizabeth gehört zur Aristokratie, steht aber finanziell vor dem Ruin und soll einen entfernten Vetter heiraten, um sich selbst vor der Armut zu retten. Elizabeth ergreift die erste (und einzige) Gelegenheit, der Zwangsheirat zu entkommen, indem sie mit ihrer Zofe Adelaide die Rollen tauscht und an den Goldenen Hof zieht. Der Goldene Hof ist (nett ausgedrückt) eine Bildungseinrichtung für Frauen gewöhnlicher Herkunft, in der sie zu kultivierten Damen erzogen werden, die dann mit den Self-Made-Männern des neuen Adels in Adoria verheiratet werden sollen. Damit soll die Vergrößerung der Kolonien gesichert werden. Am Goldenen Hof durchläuft Elizabeth/Adelaide das ganze "Vom Tellerwäscher zum Millionär"-Prozedere, zumindest die mädchenhafte, romantisierte Version davon. Zusammen mit anderen jungen, schönen Frauen aus ärmlichen Verhältnissen wird sie in gesellschaftlichen Umgangsformen, Tanz, Musik, Politik, Sprachen und dergleichen ausgebildet, darf fein gearbeitete Kleider und aufwendige Frisuren tragen. Das ganze Spektakel dient nur einem Zweck: die Aufmerksamkeit eines wohlhabenden Mannes zu erregen und eine möglichst gute Partie zu machen. Mancher Feministin stellen sich beim Lesen wahrscheinlich die Nackenhaare auf, weil Frauen augenscheinlich wieder nur auf ihr Äußeres reduziert werden, keinerlei Mitspracherecht haben und als "Ware" gehändelt werden. Wahrscheinlich würde ich in ihre Protestrufe einstimmen, wenn das tatsächlich der Kern der Geschichte wäre. Richelle Mead will aber auf etwas ganz anderes hinaus. Tatsächlich werden die Emanzipationsbemühungen deutlich stärker betont als das Märchenmotiv. Es gibt einige Personen, die eine gänzlich andere Auffassung vertreten. Lizzie/Ada ist eine von den fortschrittlich Denkenden. Mir kam es ein bisschen so vor, als würde man einer Disney-Prinzessin den Geist einer Jane-Austin-Heldin einpflanzen. Zugegeben: Anfangs hat sie einen eher arroganten Eindruck auf mich gemacht, was nicht verwunderlich ist, da sie schließlich mit einem goldenen Löffel im Mund aufgewachsen ist. Sie hat aber auch schon zu Beginn demonstriert, dass sie ihren eigenen Kopf hat und bereit ist, dafür zu kämpfen bzw. den schwereren Weg zu wählen. Es ist ihr ziemlich leicht gefallen, materielle Besitztümer zurückzulassen, solange sie dafür auch nur den Hauch einer Chance auf ihre persönliche Freiheit hat. Dass der Goldene Hof retrospektiv nicht unbedingt das Beste ist, was ihr passieren konnte, konnte sie ja vorher nicht ahnen. Dem Leser war das sicherlich schon vorher klar. Es kommt, was kommen musste: Ihre Situation verschlechtert sich ab einem Punkt rapide. Wahrscheinlich gehen die Vermutungen der meisten dahin, dass das schlimmste Szenario wäre, dass der Schwindel auffliegt und/oder sie einen Mann heiraten muss, den sie nicht will, während sie heimlich in einen anderen verliebt ist. Richtig? Falsch! Ich möchte hier niemandem die Überraschung verderben, daher sage ich an der Stelle nur so viel: Elizabeths Fall von der Spitze der Gesellschaftspyramide ist tief. Im Zuge dessen verschärft sich der sozialkritische Tenor zunehmends und auch politische und religiöse Fragen werden in die Storyline eingewoben, die ihr volles Potenzial schließlich in einem dramatischen Höhepunkt entfalten (der im Übrigen auh über den eher ruhigeren Mittelteil hinwegtröstet). Mit dieser Kombination ist es Mead gelungen, das ausgeleierte Band der Märchen-Kassette neu aufzuspulen. Der Inhalt ist zwar nicht revolutionär neu, aber auf gute Weise anders. Frei von Genre-Klischees ist der Roman natürlich nicht. Es gibt zum Beispiel auch hier die von Romeo und Julia inspirierte(!) Liebe, die nicht sein darf, aber wenn wir ehrlich sind, wären wir wohl fast alle enttäuscht, wenn dem nicht so wäre. Und wie gesagt: Das ist nicht Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, sondern liefert lediglich einen weiteren Motivationsgrund.
Neben Lizzie gibt es noch eine Reihe weiterer wichtiger Charaktere. zum engeren Kreis gehören ihre Mitstreiterinnen Mira und Tamsin sowie Cedric Thorn, der Sohn des Gründers des Goldenen Hofes. Ich mochte es, wie unterschiedlich die drei in ihrer Art sind, und dass durch Lizzies Freundschaft zu ihnen ihre eigene Vielschichtigkeit herausgearbeitet wurde. Mir persönlich war es allerdings schleierhaft, wie Mira und Elizabeth es mit Tamsin aushalten konnten, denn ich habe sehr stark mit ihrer Persönlichkeit gehadert. Ich mag zwar ambitionierte Menschen, aber bei ihr bin ich hart an meine Grenzen gestoßen, denn sie hat selbst ihre engsten Freundinnen (Elizabeth und Mira) mehr als Rivalinnen behandelt. Ich hätte sie wahrscheinlich besser leiden können, wenn sie etwas mehr Mitgefühl an den Tag gelegt hätte. Lediglich die Ereignisse auf den letzten Seiten lassen mich in Betracht ziehen, meine Meinung von ihr zu überdenken - vorausgesetzt sie macht einen starken charakterlichen Wandel durch. Miras Art dagegen mochte ich auf Anhieb. Bisher ist sie mir allerdings auch ein großes Rätsel, daher bin ich umso gespannter auf Band 2 der Reihe, der sich mit ihrer Story beschäftigen wird. Ich erhoffe mir, dort Antworten auf die vielen Fragen zu finden, die das Ende aufgeworfen hat.

Mein Fazit

Ich kannte von Richelle Mead nur die Vampire Academy-Reihe, The Promise schlägt demgegenüber einen ganz anderen Weg ein - einen, der mir wunderbar gefallen hat. Mead hat sich meiner Meinung nach als Schriftstellerin seitdem deutlich verbessert. Sie weiß mit Plottwists zu überraschen, gibt ihren Hauptfiguren genügend Möglichkeiten, um Stärken und Schwächen zu zeigen und so den Leser eine Zu- oder Abneigung ihnen gegenüber zu entwickeln, wodurch man automatisch mitfiebert, und liefert ein Ende, das Lust auf mehr macht. Mich konnte der Reihenauftakt definitiv begeistern!

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