Rezension

Für mich leider unglaubwürdig

Offene See
von Benjamin Myers

Leider frühzeitig abgebrochen.

Leider möchte ich dieses Buch nicht zu ende lesen. Der Grund dafür ist die aus meiner Sicht unglaubwürdige Betrachtungsweise von Robert auf seine Umwelt. Der Autor lässt seine Hauptfigur Sätze sagen wie: "...und mehrmals schlief ich den Schlaf der Gerechten eingezwängt zwischen dichten Heckenwänden aus Brombeersträuchern und Stechpalmen, die vielleicht schon seit dem Mittelalter hier wuchsen, drei Meter hoch und so undurchdringlich wie die Stacheldrahtrollen in Bergen-Belsen." Diesen Satz greife ich heraus, weil mich der Autor ab dieser Stelle als Leser verloren hat. Robert, ein junger Mann dessen Vater im Bergbau gearbeitet hat, möchte nicht unter Tage seine Zeit verbringen müssen und macht sich daher auf den Weg zum Meer. Nach England soll die Reise gehen. Die Fähigkeit zu reflektieren und zum teil sehr krude Verknüpfungen zwischen realem Leben und der poetischen Ausdrucksweise, passen nicht zu einem Arbeiterkind nach dem zweiten Weltkrieg. Selbst wenn Robert ein sehr verträumter Mensch ist, fehlt mir ein wenig Verwegenheit um den Alleingang von zu Hause aus in die Fremde glaubwürdig wirken zu lassen. Es mag sein, dass der junge Mann ein Stück weit von sich selbst entrückt, um die Heimat verlassen zu können. Jedoch hätte Benjamin Myers vielleicht lieber die Gedankengänge der Protagonisten von seiner eigenen Liebe zur Poesie abgetrennt. So bin ich leider nicht bis zur Hälfte der Geschichte vorgedrungen, da mir der Zugang zu den Figuren gefehlt hat, und auf mich deren Gefühlswelt verklärt bis hölzern erscheint.

Kommentare

Sonja Fleischer kommentierte am 15. November 2020 um 16:22

Genau dieser Vergleich ist mir auch als absolut unangemessen aufgefallen. Ich habe das Buch zuende gelesen, ich fand das Buch insgesamt dann so "ok". Den Erzählton fand ich insgesamt zu geschraubt, zu sehr bemüht, Dulcie in ihren Aussagen zu plakativ. Irgendwie habe ich gelesen, dass das Buch mit Alan Carrs "Ein Monat auf dem Land" vergleichbar ist. Ich verstehte, wie man auf den Vergleich kommt, aber Allan Carrs Buch liebe ich, während ich beim Lesen dieses Buch immer wieder dachte "zu viel gewollt".

Sonja Fleischer kommentierte am 15. November 2020 um 16:24

Nachtrag: Dass der Erzählton nicht zu dem 16-jährigen Arbeiterkind passt, finde ich nicht so schlimm, weil der Erzähler ja als alter Mann schreibt, der von früher erzählt. (Das macht den Erzählton aber an sich nicht grundsätzlich gut.) ;)