Rezension

Für Zamonien-Fans ein Muss

Weihnachten auf der Lindwurmfeste
von Walter Moers

Bewertet mit 4 Sternen

»Warum ausgerechnet die Lindwürmer – immerhin die aufgeklärteste und intelligenteste Bevölkerungsgruppe Zamoniens – solch einem irrationalen Ritual verfallen konnten, ist eine faszinierende Frage. Es handelt sich um ein soziales Phänomen mit viel Erklärungsspielraum. Ich kann es mir eigentlich nur mit unserer fast krankhaften Kreativität und Phantasie erklären, die oft seltsame Wege geht. Ich erinnere da etwa an unsere bizarren Begräbnisrituale, an den Glauben an das Orm und die statistische Tatsache, dass so gut wie alle Lindwürmer Schriftsteller werden, obwohl sie auch einen anständigen Beruf ergreifen könnten. Normal ist das nicht! Warum dann nicht auch noch an einen wandelnden Blumenkohl glauben, der sich mit Geschenken bei wildfremden Lindwürmern durch den Schornstein zwängt? Das ergibt fast wieder Sinn.«

Walter Moers, unentbehrlicher Übersetzer zamonischer Dichtkunst, war wieder fleißig. Im wie gewohnt durch Abschweifungen geprägten Briefwechsel zwischen Hildegunst von Mythenmetz, dem erfolgreichsten Schriftsteller Zamoniens und dem Eydeeten Hachmed ben Kibitzer fielen Moers die Ausführungen zum alljährlich zelebrierten Hamoulimepp auf, einem Fest, das frappierende Ähnlichkeiten mit unserem Weihnachtsfest aufweist.

 

Hildegunst, als bekennender Hamoulimepphasser, klagt und schimpft wie Ebenezer Scrooge und der Grinch in Personalunion. Wer also eine kleine Auszeit vom Weihnachtstrubel benötigt und sich vor einem Übermaß an blühender Phantasie nicht scheut, kann sich mit diesem Buch entspannt zurücklehnen und über Felsengeiereier (traditionelle Verpackung von Hamoulimepppräsenten) lesen, über Hamoulimeppbäume, den Hamoulimeppwurm und die Hamoulimeppwurmzwerge, die in der Hamoulimeppwurmwerkstatt in sorgfältiger Handarbeit die zahlreichen Geschenke für jeden kleinen Lindwurm anfertigen. Lindwurmkinder basteln zum Fest gerne Schuppenpuppen, natürlich wird musiziert, beispielsweise mit Klavorgeln, Lindwurmgeigen oder Paläontologischen Triangeln. Und was singt wurm so? Natürlich Klassiker wie »Es ist ein Mepp entsprungen« oder »Heute, Würmer, wird’s was geben…«

 

Aber selbst Hildegunst mag ein paar Dinge an Hamoulimepp, zum Beispiel den Bücher-Räumaus, der auch jeden leidenschaftlichen Leser begeistern sollte. Und das Feuerlose Feuerwerk, weil es zum einen schön ist und zum anderen den Schlusspunkt des dreitägigen Feierwahnsinns darstellt.

 

Wer seine Sachkenntnisse zu all diesen Dingen noch bildhaft vertiefen möchte, kann dies mit Hilfe der insgesamt 16 angehängten Taxonomischen Tafeln tun, mit denen angefangen bei den Inkarnationen von Hamoulimepp über Steinschlagschutzhelme bis zur Trilobitensuppe sämtliche nicht vorstellbaren Bildungslücken gefüllt werden.

 

Da ich großer Zamonien-Fan bin, musste ich natürlich auch dieses Buch lesen und hatte viel Spaß dabei. Es ist ein schneller Genuss mit überschaubarem Textanteil und vielen tollen Illustrationen von Walter Moers und Lydia Rode. Die Aufmachung des Buchs ist passend festlich, mit Glitzer, Goldschrift und Lesebändchen.

 

Fazit: Für Zamonien-Fans ein Muss. Ich würde jetzt sehr gerne mal Hamoulimepp mitfeiern. Die Trilobitensuppe lasse ich allerdings aus ;-)