Rezension

Fulminantes Ende

Witch Hunter
von Virginia Boecker

Bewertet mit 4 Sternen

"Witch Hunter" handelt von der 16-jährigen Elizabeth Grey, die als eine der besten Hexenjäger in Anglia gilt. Obwohl sie einen zarten Körperbau hat und ein kindliches Äußeres kann sie gleich mehrere Hexen auf einmal ausschalten. Doch eines Tages wird Elizabeth mit Kräutern erwischt, die ihr zum Schutz dienen sollen. Da diese aber einen Hinweis auf ein Hexendasein sind, wird sie festgenommen und zum Verbrennen auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Elizabeth wartete verzweifelt darauf, dass ihr bester Freund Caleb sie rettet, doch als sie kurz davor ist von einer Krankheit weggerafft zu werden, rettet sie der berühmt berüchtigte Hexenmeister Nicholas Perevil. Nun weiß Elizabeth nicht mehr, wer Freund und wer Feind ist und muss sich auf ihre Intuition verlassen.

Vom Beginn dieses Jugendbuchs war ich etwas enttäuscht. Man findet nur schwer in die Geschichte hinein, obwohl direkt Action genug geboten wird. Auch der Zugng zu Elizabeth gestaltet sich schwierig, denn von einer der besten Hexenjägerinnen ist nichts zu sehen. Stattdessen wirkt sie eher, als ob sie Caleb als ständige Unterstützung bräuchte, um ihre Aufträge auszuführen und wie ein pubertierendes Gör, das sich nur von ihren unerwiderten Gefühlen zu Caleb leiten lässt. Auch ihr ganzes Leben, wie der Alltag aussieht, wie sie zu diesem Leben kam, wie dieses Anglia funktioniert, in dem die Handlung spielt, all das bleibt so nebensächlich, dass man sich zügig fragt, wo das Ganze überhaupt hinführen soll und ob es überhaupt Sinn macht, dass man weiterliest.

Mit der zentralen Handlung dann aber, die sehr früh bereits angeleiert wird, wird es merklich besser. So langsam beginnt man zu begreifen, wer Elizabeth ist und was ihre Stärken und Schwächen sind. Und es werden einige wirklich sehr liebenswerte Nebenfiguren (vielleicht sogar als Hauptfiguren zu sehen) eingeführt. Die Welt beginnt sich zu erklären und den zentrale Twist wird offengelegt.

Bei alldem wird sicherlich mit altbekannten Motiven der Fantasyliteratur gearbeitet, aber das hat mich nicht gestört. Die Geschichte lebt einfach von einem sehr guten Erzähltempo, mit kleineren Überraschungen und vielen tollen Figuren, die man auf ihren Abenteuern gerne begleitet.

Und wie herrlich ist bitte John als Gegenpart zu Elizabeth? Nicht der perfekte Jüngling, stärker als andere, unnahbar und letztlich doch mit ganz weichem Herz. Stattdessen ein Heiler, mit der Herz auf dem richtigen Fleck und einer, der zu seinen Gefühlen steht. John habe ich wirklich direkt in mein Herz schließen können.
Erst recht in mein Herz schließen können, konnte ich das geniale Finale. Das war richtig spannend gestaltet. Elizabeth wird vollends zur Heldin, der Rolle also, die ihr von Anfang an angedacht ist. Man ist so in ihrer Perspektive gefangen, dass man all ihre Zweifel, was real und was Illusion ist mitfühlt und selbst ständig hinterfragt, woran soll ich als Leser jetzt glauben. Auch das große Böse wird letztlich zu einem würdigen Gegner, man akzeptiert gerne, dass dieser auch in möglichen Folgebänden diese Rolle ausfüllen wird. Gerade im Hinblick auf eine Fortführung der Geschichte finde ich das Ende des Buches auch sehr interessant gestaltet. Ohne jetzt spoilern zu wollen, ist es sehr spannend, welche Rolle Elizabeth überhaupt noch ausführen kann, ob sie sich nicht auch zwangsweise verändern muss und dass es vielleicht noch mehr darauf ankommt, wie die Gruppe interagiert und die gestellten Aufgaben gemeinsam erledigt.

Eine weitere Forderung wäre auf jeden Fall, all die Wesen, die unter die Verbote von Anglia fallen, näher zu beleuchten. Wie genau die Magie von Hexen funktioniert, was einen Widergänger ausmacht, all das würde ich gerne noch tiefer erkunden, das hat unheimlich viel Potenzial.

Fazit: "Witch Hunter" ist ein Auftakt, der definitiv Lust auf mehr macht. Der Einstieg gelingt nur schleppend, da man regelrecht in Anglia und die Zustände dort hineinstolpert und sich zunächst gar nicht orientieren kann. Aber Elizabeth wird nach und nach zu einem guten Leitfaden, mit der man alles entdeckt und die einem mit den vielen Nebenfiguren ans Herz wächst. Die Spannung ist zu jedem Zeitpunkt gegeben und spätestens ab Seite 100 fliegt man nur noch die Erzählung und bei den letzten 100 Seiten kann man das Buch das wirklich nicht mehr beiseite legen, denn hier kommt alles zusammen und endet so interessant, dass man gerne wieder nach Anglia zurückkehrt!