Rezension

Ganz famos!

Die Autobiographie - Agatha Christie

Die Autobiographie
von Agatha Christie

Bewertet mit 5 Sternen

„Eigentlich sollte ich einen Krimi schreiben, doch der natürliche Drang des Schriftstellers, alles zu Papier zu bringen, nicht nur das, was er sollte, erweckt ganz unerwartet in mir das Verlangen, meine Autobiografie zu schreiben. Dieses Verlangen, so wurde mir versichert, überkommt früher oder später jeden. Jetzt hat es plötzlich mich überkommen.“ (S.13)

Zu Lebzeiten war die Queen of Crime immer sehr öffentlichkeitsscheu, weswegen man über die Presse wenig über ihr Privatleben erfahren konnte. Erst ein Jahr nach ihrem Tod, wurde ihre Autobiografie veröffentlicht und zeigt sehr detailliert und wunderbar ansprechend geschrieben ein ganzes Leben auf. Man begleitet Agatha Christie auf Streifzügen durch ihre Kindheit, erfährt vieles über ihre Jugend und ihr Erwachsenenalter – auch wenn ihr rätselhaftes Verschwinden nicht thematisiert wird.
Stück für Stück konnte ich mir ein besseres Bild von der berühmten Kriminalautorin machen und war sehr angetan von der Möglichkeit, ihre Entwicklung miterleben zu dürfen. Man ist hautnah dabei wenn sie größer wird und die Puppenhäuser echten Immobilien weichen.
„Ich sehe jetzt ganz klar, dass ich noch immer nicht aufgehört habe, mit Häusern zu spielen. Ich habe unzählige Häuser besucht, gekauft, getauscht, eingerichtet, ausgestattet und baulich verändern lassen. Häuser! Gott segne die Häuser!“ (S.73)

Auffällig ist, dass die Erzählung immer wieder in Zeit, Ort und Thema springt, was daran liegt, dass die Autorin gerade einen geeigneten Punkt erreicht hat, um eine Brücke zu schlagen. Da Agatha Christie ihre Autobiografie gesprochen und über Tonaufnahmen (leider nur größtenteils dauerhaft) festgehalten hat, liest sich ihr Buch so, als würde sie vor einem lodernden Kamin sitzen und aus ihrem Leben erzählen.
Ich habe mich daher bei der Lektüre sehr wohl gefühlt und empfand eine sehr angenehme, vertraute Atmosphäre beim Lesen. Die Autorin wirkt so authentisch und offen und erzählt von derart vielen Erlebnissen, dass es mich schwer beeindruckte.
„Der Gedanke mutet seltsam an, aber wir erkennen erst dann, dass wir einen Menschen wirklich lieben, wenn er lächerlich aussieht.“ (S.74)
Immer wieder lässt die Schöpferin von Poirot und Miss Marple kleine Erkenntnisse, vielleicht sogar Lebensphilosophien und -weisheiten, einfließen, was erneut sehr viel Vertrautheit spüren lässt. Außerdem konnte ich über viele Aussagen eine ganze Weile nachdenken und war beeindruckt, sie von jemandem mit einem derart bewegten Leben hören – beziehungsweise lesen – zu dürfen.
Was mich darüber hinaus stark fasziniert hat , war, dass man zahlreiche Parallelen zwischen den unglaublich vielen Reisen der Queen of Crime und den Handlungsorten ihrer Kriminalromane entdecken konnte. Überhaupt hat mich beeindruckt, wie viel Agatha Christie von der Welt gesehen hat.
„“Es liegt mir nicht, Informationen aus der Hand zu geben.“ (…) Wenn sie mir nicht relevant oder interessant erschienen, steckte ich alle Informationsschnitzel weg, die mir zugetragen wurden, heftete sie sozusagen in einen Ordner in meinem kopf ein – für die übrigen Mitglieder meiner Familie, die allesamt extravertierte Plaudertaschen waren, eine unverständliche Gepflogenheit.“ (S.125)
„Zweifellos war ich ein langweiliges Kind mit den besten Aussichten, die Sorte von Mensch zu werden, die sich besonders schwer in eine Gesellschaft einbeziehen lässt.“ (S.125)
Das Buch zeigt den Menschen hinter dem Mythos. Äußerst interessant war für mich zu lesen, welche ihrer Werke der Queen of Crime mehr, und welche weniger, zusagten – denn diese Einschätzungen gehen mit der weitläufigen Lesermeinung nicht unbedingt einher.
Selbstverständlich gibt es auf den 640 Seiten eine ganz schöne Menge an Informationen, weswegen ich mir die Lektüre offen gestanden etwas einteilen musste. Hätte ich versucht, die Autobiografie mehr oder weniger an einem Stück zu lesen, so hätte ich die Anekdoten nicht ausreichend zu schätzen gewusst oder gar nicht erst richtig wahrgenommen. Wohl dosiert und in mal kleineren, mal größeren Häppchen ist dieses Werk jedoch wahrlich ein Genuss.

Ich bin sehr froh, dieses mächtige, spannende, faszinierende und beeindruckende Werk gelesen zu haben und kann es jedem Leser Agatha Christies Kriminalromane nur wärmstens ans Herz legen. Man erfährt äußerst viel zu ihrem Leben und Wirken, den gesellschaftlichen und zeitlichen Umständen sowie zu ihren Einstellungen und Erkenntnissen.