Rezension

Gar nicht mal so 'undenkbar'

Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin
von Thomas Meyer

Bewertet mit 4 Sternen

Motti Wolkenbruch wurde von seiner Familie verstoßen, weil er sich - unverzeihlich für einen jüdischen Sohn - mit einer Schickse, einer Nicht-Jüdin, eingelassen hat. Das ist allerdings Inhalt des Vorgängers "Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse". In dieser Fortsetzung nun, lässt der Autor Thomas Meyer den gestrandete Motti vom Weltjudentum rekrutieren, um an der Übernahme der Weltherrschaft mitzuwirken. Auf der anderen Seite gibt es die in der Alpenfestung versteckten Reste der Anhänger des Nazi-Regimes unter Hitler, die unter ihrem 'Neuen Führer' bzw. dem 'Neuesten Führer' (usw.) ebenfalls versuchen zu vollenden, was 1945 gescheitert ist.

Der Autor verquickt in seinem Roman gefühlt alles, was an Themen so aktuell und kritisierbar ist. Die beiden Lager bedienen sich in ihrem Streben nach Macht immer mehr der neuesten Technologie bzw. entwickeln diese. So ist das Weltjudentum überhaupt erst entstanden, weil ein gefangener jüdischer Wissenschaftlich die 'Reichsflugscheibe' entwickeln sollte und so hat die Alpenfestung den 'Volksrechner', das 'Volksnetz' und kürzlich das 'Volksrechnerlein' erfunden. Entgegen dem Weltjudentum, das Alexa in 'Schoschanna' umprogrammiert, so dass sie nur noch jüdische Musik, Geschäfte und Rezepte empfiehlt, stammt die 'Hassmaschine' aus dem Nazi-Lager, die Mutter aller Internet-Trolle. Motti und seine Mitstreiter nutzen das 'Sex sells'-Prinzip und Instagram, über das sie schließlich in Kontakt mit einer Agentin aus der Alpenfestung kommen, die auf Motti angesetzt wurde. 

Verschwörungstheorien, Medienkritik, Verballhornung von aktuellen 'Errungenschaften' - Meyer vermischt das alles und schafft so einen schrägen Humor, der einem aufgrund der Analogien im echten Leben jedoch manchmal im Halse stecken bleibt. Programmierte Suchmaschinen, die einem nur eine gefilterte Ergebnisliste liefern - natürlich gibt es die. Auch 'Tiefenfälschungen' , Deep Fakes in 'unserer Sprache', gefälschte Videos oder Tonaufnahmen, sind mehr und mehr ein Problem. Und dass diese Technologien auch von jemanden genutzt werden könnten, der ganz eigene Zwecke damit verfolgt - ich denke es wäre naiv, zu behaupten, dass das nicht denkbar ist. Deshalb tut Meyer sich mit dem übermäßigen Humor in seinem Buch - der auch zu einem großen Teil auf der extrem 'jüdischen' Darstellung von Motti Mutter basiert und für viele Schmunzler sorgt - meiner Meinung nach nicht nur einen Gefallen. Ja, der macht das Buch sehr lesbar, sorgt auf jeder Seite für Erheiterung und man kann das Buch einfach als kurzweilige Unterhaltung mit übertriebenen Pointen abtun. Sollte man aber nicht. Denn auch wenn es die Deppen aus der Alpenfestung und die 5 Weltjuden um Motti so 1:1 nicht gibt - andere, weit weniger amüsante Gruppierungen könnten genau so agieren, wie es im vorliegenden Buch überzeichnet dargestellt wird. 

Der Humor und die lustigen Wortspiele könnten dafür sorgen, dass man das Buch nicht ganz ernst nimmt, doch in meinen Augen kommt der wahre Humor nur dann zum Tragen, wenn man eben genau das macht. Es ist ein schwarzer Humor, und es ist extrem aktuell und modern, was Meyer da alles beschreibt, man sollte nur nicht der Verlockung erliegen, es bloß als Unterhaltung abzutun! (Oder bin ich jetzt selbst einer Verschwörungstheorie aufgesessen? ;) )