Rezension

Gediegener Anfang, danach startet die Geschichte voll durch

Dorothy Must Die - Danielle Paige

Dorothy Must Die
von Danielle Paige

Amy lebt mit ihrer Mutter in einem Wohnwagen, von ihren Mitschülern wird sie deswegen oft verspottet und gemobbt. Leider kann sie sich auch von ihrer Mutter keine Hilfe erwarten, seitdem sie Amy alleine erziehen musste, ist sie immer öfters depressiv und nimmt haufenweise Tabletten. Als ein Hurricane wütet und Amys Mutter sie alleine im Wohnwagen lässt, passiert das unglaubliche - Amy landet in Oz! Kaum angekommen wird sie auch schon von einem geheimnisvollen Jungen auf den neuesten Stand gebracht. Dorothy ist wieder in Oz und hat das Sagen hier, sie nimmt sich alle Magie und regiert mit strenger Hand. Wer sich gegen Dorothy auflehnt, wird zum Schweigen gebracht. Exekutiert vom Blechmann, gefressen vom Löwen. Aber welche Rolle spielt nun Amy in diesem Märchen? Noch ein Mädchen aus Kansas in der Welt des Unmöglichen..

"Dorothy must die" stand ganz hoch oben auf meiner must-read Liste. Da ich ja ganz begeistert von den neu adaptierten Märchengeschichten bin und auch Oz eines meiner Lieblingsmärchen ist, war meine Erwartungshaltung relativ hoch.

Amy Gumm lebt kein gutes Leben. Von ihren Mitschülern gemobbt, obwohl diese weder einen höheren Lebensstandard haben noch sonst irgendeinen erkennbaren Wert, und von ihrer Mutter nur geduldet. Dies kann man aber auch teilweise auf die Krankheit der Mutter schieben, durch ihre Depression und die damit verbundenen Tabletten ist sie oft tagelang lethargisch und kümmert sich um nichts. Danach ist sie wieder total aufgepusht und lässt Amy immer wieder im Regen stehen, so auch an dem Abend des Hurricanes. 
Dadurch ist Amy natürlich kein Mädchen mit übermäßigen Selbstbewusstsein. Verständlich, aber diese Jammerei ist halt dennoch im Laufe der Geschichte nervig. Vor allem wenn es oft wiederholt wird und bei den unpassendsten Momenten daran gedacht wird. Aber, es wäre ja auch keine gute Geschichte wenn sich das nicht ändern würde. Amy wird vom unsichtbaren Trailerpark Girl zur selbstbewussten Kämpferin. Sie zeichnet sich auch durch ihren Humor und ihren allseits paraten Sprüchen aus. Sie muss oft schwere Entscheidungen fällen und abwägen wem sie vertrauen kann, denn dieses Oz ist kein Ort voller Sonnenschein und Guter Laune. 
Die Geschichte stimmt. Es gibt Oz, es gibt den Zauberer, es gibt den Blechmann, die Vogelscheuche und den Löwen. Und mittendrin Dorothy, die das Land einst vor der bösen Hexe gerettet hat und eigentlich nur wieder nach Hause wollte. Tja, die Story ging aber noch weiter. Dorothy kehrte nach Oz zurück, wurde zur Königin gekrönt und stahl die Magie. Seitdem ist der frühere Glanz von Oz nicht mehr erkennbar..
Die Welt wie die Autorin sie erschaffen hat, ist düster. Die Munchkins ähneln vom Aussehen her Punks, sie sind tättowiert, haben bunte Haare und eine große Klappe. Die Vogelscheuche erinnerte mich ein wenig an "Edward mit den Scherenhänden", das ganze Setting wirkte minimal wie ein Tim Burton Film. Nicht ganz so fantastisch und skurril, aber das Potenzial war jedenfalls zu erahnen. Die Autorin verlieh jeder Figur etwas unheimliches und spielte mit dem Gut-und-Böse Effekt. Denn wenn die Vogelscheuche schon an Mensch und Tier herumexperimentiert, wie schlimm können dann die bösen Hexen sein? 
Beides erfährt Amy am eigenen Leib. Sie wird von den Hexen trainiert, ihr wird Magie beigebracht und sie wird für ihr Ziel auf eine harte Probe gestellt. Nox ist ein Zauberer, er trainiert Amy und kommt ihr dabei auch sehr nah. Doch wenn alles zu scheitern droht, man nicht mehr von gut und böse unterscheiden kann, wen kann man dann noch trauen? Und wer war ihr geheimnisvoller Retter als sie in Oz ankam..
Anfangs war ich noch zwiegespalten, die Geschichte brauchte ziemlich lange um in Fahrt zu kommen. Einerseits mochte ich die Idee, die Umsetzung gefiel mir grundsätzlich auch aber dennoch sprang der Funke nicht ganz über. Irgendetwas fehlte mir zum ganzen Glück. Hin und wieder wurde die Geschichte leider auch langatmig, besonders kurz vor der Hälfte des Buches. Manche Charaktere blieben auch grau, da hätte ich mir mehr Details gewünscht. Aber als dann endlich Nägel mit Köpfen gemacht wurden und die Geschichte anfing sich weiter zu drehen, war ich wieder sehr angetan. Die Autorin hat sich hier ziemlich viel Mühe gemacht, sie hat zwar das Grundgerüst von "Der Zauberer von Oz" beibehalten, aber das ganze drumherum völlig neu erschaffen.

 Positiv erwähnen muss ich unbedingt noch, dass die Autorin keine Angst davor hatte drastische Maßnahmen in ihrer Geschichte zu ergreifen. So lies sie nichts aus, weder Mord noch Folter und das sogar gleich zu Beginn. Das traut sich nicht jeder, schon gar nicht bei einem Jugendbuch. Man darf sich aber unter keinen Umständen hier eine tolle Liebesgeschichte erwarten, denn das spielt nur eine geringfügige Rolle. In erster Linie geht es ganz klar um Amys Leben, ihren inneren Konflikt, ihr neues Leben in Oz und ihren Fähigkeiten. Es zeigt auch wie schnell die Grenzen zwischen gut und böse verschwimmen können und welche Auswirkungen manche Handlungen haben. 
Wer mal eine spannende, unheimliche Märchenadaption lesen möchte, ein Faible für düsteres hat und sich auch vor manch sarkastischen Spruch nicht fürchtet, den kann ich "Dorothy must die" mit guten Gewissen ans Herz legen. Es war zwar nicht alles rund, an manchen Stellen wünschte ich mir mehr Tempo und auch einzelne Charaktere blieben farblos aber als Debüt kann ich den Band großteils als gelungen bezeichnen. Der zweite Band wird sicher bei mir einziehen dürfen. Hierfür gibt es von mir gute 4/5 Rawr's