Rezension

Gefällige Sicht auf Alma.

Die Muse von Wien - Caroline Bernard

Die Muse von Wien
von Caroline Bernard

Bewertet mit 4 Sternen

Gewiss hat mir Oliver Hilmes Biografie "Witwe im Wahn" sehr viel mehr zugesagt. Wenn die Autorin im Nachwort aber argumentiert, dass Hilmes eine vorgefasste Meinung gehabt hätte, was schon der Titel zeige, kann ich nicht umhin, ihr ein bisschen Recht zu geben. Dies ist das zweite Buch, das ich von der Autorin lese und es gefällt mir um Längen besser als "Rendez-vous im Café de Flore".

In ihrem neuen Roman „Die Muse von Wien“ widmet sich die Autorin der in der literarischen und biographischen Bewertung umstrittenen Figur der Alma (Schindler) Mahler Gropius Werfel (1879 in Wien bis 1964 in New York).

Caroline Bernard betont, was und wieviel Alma für ihre erste Ehe mit dem berühmten Dirigenten und anerkannten Musiker Gustav Mahler opfern musste. Der Musiker verlangte von der selber hochmusikalischen Alma,  das Komponieren aufzugeben und ihr Leben ihm und seinen Werken zu widmen.

Andere Autoren, wie Oliver Hilmes, betonen mehr die egozentrische, energiegeladene und ehrgeizige Seite Alma Mahlers, wodurch sie ihre jeweiligen Ehemänner dazu drängte, sich zu profilieren. Zwischen beiden Polen liegt sicherlich die Wahrheit.

Alma Schindler heiratete jung und hatte keinen Anker in sich selbst. Ein anderer Charakter wäre eventuell in der Mutterschaft und der Häuslichkeit aufgegangen. Alma nicht.

Als das Schicksal ihr das zweite Kind raubte (und später weitere), hatte sie wenig Unterstützung aus ihrem Umfeld. Es scheint auch, dass sie Ehefrust und Lust mit niemandem ihr innerlich Nahestehendem besprechen konnte. So verhärtete sie und erkaltete. Caroline Bernard vermittelt viel Verständnis für ihre Version der Alma.

Doch selbst Caroline Bernard schreibt: „Sie [Alma] hatte immer gewusst, wenn sie einen genialen Menschen vor sich hatte …“. Aus wohlhabendem Bürgertum stammend, das nach den herausragenden Persönlichkeiten der Gesellschaft schielte, um sich damit zu schmücken, kamen für Alma nur Männer in Frage, die ihr eine Position und damit Geltung verschaffen konnten, ihr Augenmerk war dabei auf die Künstlerszene gerichtet.

Die Zeit, in der Alma lebte und die Probleme, denen sie begegnete, schildert die Autorin glaubwürdig und nachvollziehbar.

Almas Charakter hat Caroline Bernard sicherlich nur unvollständig eingefangen; Alma war eine komplexe und schwierige Persönlichkeit. Dennoch gibt es auch die von Bernard geschilderte Seite an ihr.

Die Unbeständigkeiten Almas sind erklärbar durch: eine schwierige Jugend, eine komplizierte und anstrengende Ehe mit einem launischen Musiker, Jahre des Frusts und der Unterordnung, tiefe familiäre Verluste. Dazu kam die tragische Beschränkung ihrer künstlerischen Persönlichkeit. Alma brauchte ein Ventil. Sie brach aus ihrer Ehe aus. Lebte sich aus. Ging neue Ehen ein.

Aber eine naive Kleine, wie es in weiten Stecken des Romans erscheint, ist Alma nicht gewesen.

Die sexuellen Szenen sind es, im Roman, die gar nicht gelungen sind. Braucht man sie wirklich in Groschenheftromanmanier, damit sich das Buch verkauft? Paul Auster kann über Sex schreiben. Sehr gut. Plastisch. Drastisch. Viel besser. Nie auf Groschenheftniveau. Besser wären Andeutungen, wenn man es nicht kann. Hier gibt es Abzug.

Caroline Bernhard stellt eine recht gefällige Sicht auf Alma Schindler dar. Und man kann ihre Ansicht durchaus vertreten.

Was hätten diese Frauen tun sollen, selber hoch musisch begabt, in ihren Talenten und Gaben durch männlichen Egoismus und Überheblichkeit beschnitten, verwöhnt, ja, aber auch ohne Zugang zu einer eigenen, sinnvollen, befriedigenden Aufgabe im Leben. Was hätten sie für Möglichkeiten finden können als die, sich sexuelle Erfüllung zu verschaffen und sich dann auf die Laufbahn und die Karrieren zu stürzen, in denen ihre Männer sich verwirklichten? Sie zu befördern, zu drängen, selber darin aufzugehen. Wenn man nun einmal kein Mütterchentyp war. Welcher in der Bourgeoisie des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20igsten nicht hoch im Kurs stand. Alma Schindler war nicht die einzige, die diesen Weg wählte. Eine andere schillernde Figur ist Cosima Bülow Wagner.

In der Beurteilung von Alma Schindlers Charakter sind sich die Biographen uneinig. Im Nachwort begründet die Autorin ihre Sicht.

Fazit: Letztlich gar kein schlechter biographischer Roman. Zwar in leicht zugänglichem Frauenromanformat, was zu einer naiven Färbung der Alma Schindler führt. Doch zahlreiche Facetten von Almas Leben sind anschaulich ausgearbeitet. So könnte es gewesen sein. Oder so ähnlich. Frau Bernard arbeitet immer an den überlieferten Fakten entlang. Die künstlerische Freiheit in der Ausmalung muss man einem biographischen ROMAN zugestehen.

Kategorie: Biographischer Roman. Frauenliteratur.
Aufbauverlag, 2018

Kommentare

Naibenak kommentierte am 27. Juli 2018 um 09:00

Total interessant, was du da schreibst! Dankeschön!!! :)