Rezension

Gefühlskaltes Sprachwunder

Babel -

Babel
von R. F. Kuang

Bewertet mit 2 Sternen

Babel ist wohl das Buch, dass in diesem Jahr bisher die größten Vorschusslorbeeren genießen konnte. Manche sprechen gar vom „neuen Harry Potter“ und um einiges vorweg zu nehmen: die Erwartungen können nicht erfüllt werden. 

Generell mache ich mir wenig aus Marketing, dennoch bin ich der Meinung, dass man dem Buch mit solchen Vergleichen keinen Gefallen macht. Ich hatte deswegen zwar keine erhöhten Erwartungen, diese waren jedoch aufgrund des Klappentexts und der Leseprobe vorhanden. 

Wir lernen auf den ersten Seiten (Leseprobe) den jungen Robin Swift kennen, der in Kanton (China) geboren wurde und von Professor Lovell eine Zukunft in England geboten bekommt. In diesem Abschnitt konnte ich mich Robin so stark mitfühlen, wie auf den folgenden 700 Seiten nicht mehr. 

Wir erleben die komplette Geschichte aus Robins Sicht, doch anstatt seine Gefühlswelt glaubhaft darzustellen und mich als Leserin zu packen, wirkt Robin marionettenhaft und grau. Seine Entscheidungen sind für mich bereits zu Beginn nicht erklärbar, Gefühle können nicht transportiert werden und so erlebte ich die Geschichte nicht mit Emotionen, sondern war gelangweilt von Robins Erlebnissen.

Neben Robin sind auch Ramy, Victoire und Letty sehr präsent und vor allem Ramy empfand ich einen interessanteren Charakter als Robin ihn darstellte. Im Gegensatz zu Robin hatte Ramy klare Meinungen, seine Aktionen wirkten nicht aus dem nichts kommend und konnten nachvollzogen werden (wenn auch nicht immer verstanden). Dennoch wirkten alle vier Charaktere nicht authentisch für die damalige Zeit, im Verbund mit den gesellschafkritischen Aspekten muss man sich einfach bewusstwerden, dass dieses Buch knapp 200 Jahre zurückliegt und dafür waren sie mir zu modern gestaltet oder anders gesagt: ich hatte nicht das Gefühl, dass ich im Jahre ~1830 bin. 

Die Zeit war für mich auch ein weiteres Problem. Wir lernen Robin als kleines Kind kennen, irgendwann fängt er an zu studieren und die Jahre vergehen. Doch wie viele? Ich konnte mir zu keiner Zeit ein Bild darüber machen, wie alt die vier Freunde sind oder wie viele Tage/Wochen/Monate zwischen Absätzen vergangen sein mögen. Darin habe ich mich teilweise verloren gefühlt. Denn auch dieser Aspekt ist für mich wichtig, um mit den Charakteren mitfühlen zu können und sie authentisch zu finden, da man ihre Aktionen natürlich immer in Beziehung zu ihrem Alter setzt. 

Diese fehlende Tiefe auf einigen Ebenen sorgt dafür, dass ich den Roman als oberflächlich empfand. Ich hatte das Gefühl, dass ich hier eine gefühlslose Zusammenfassung einer Trilogie lese. Die Grundidee des Buches hätte durchaus eine Reihe an Büchern verdient gehabt, um den Charakteren leben zu erwecken und die Leser:innen mit ins Abenteuer zu nehmen, anstatt nur von diesen zu berichten. 

Spannung konnte sich auch nie aufbauen, stattdessen plätschert die Geschichte inhaltlich nur so dahin, um dann aus dem Nichts tragische Szenen darzustellen, die nicht ins Szenario passen. 

Die Thematik der Silberbarren, der Sprache und der Verbund mit Geschichte war durchaus interessant und sowohl sprachlich als auch historisch hat die Autorin einiges zu bieten, was sie auch gerne durch ellenlange Fußnoten zeigt, doch an Gefühl und Authentizität fehlte es dafür an einigen Ecken. 

Für mich war Babel daher leider eine Enttäuschung.