Rezension

Gefühlvoll erzählt, trauriges Stück Geschichte, mutig

Die Stunde unserer Mütter - Katja Maybach

Die Stunde unserer Mütter
von Katja Maybach

Ein trauriges Stück Geschichte aus der Sicht zweier Hausfrauen und ihren Töchtern. Ein Alltag, heute so fremd, doch damals die tägliche bittere Pille. Das Warten und Bangen, das scheinbar normale Leben weiterführen zu wollen und doch ständig mit den Begleiterscheinungen und Konsequenzen des Krieges konfrontiert zu sein.

Katja Maybach orientierte sich für diesen Roman an echten Feldpostbriefen ihres Vaters und dessen privaten Tagebuch. Obwohl die Autorin diese Zeit selbst nicht miterlebt hat, werden Erinnerungen vieler ihrer Familienangehörigen wieder lebendig, wobei sich die Autorin an den gleichen Jahren orientiert: Im Zeitrahmen von 194O bis 1943 etwa. Die Beschreibungen malen ein graues Bild von Lebensmittelmarken, verlassenen Häusern, harte Ausgehregeln, fiese Beleidigungen und der Dunst ständiger Angst, nur verschleiert durch die zum Alltag gewordenen Tränen. Jeder ist vorsichtig, jeder hat Opfer zu betrauern, jeder muss Abstriche machen, jeder geht seiner Sache nach und bleibt ansonsten Daheim. Fürsprecher von Hitler werden zu den grössten Feinden von solchen, die Juden und anderen Nicht-Deutschen helfen. So wiegen sich auch Maria und Vivien in Gefahr, denn obwohl Vivien in Deutschland verheiratet ist und ihre Tochter in demselben Land geboren, bleibt sie doch Ausländerin. Was ihre Tochter durch Unvorsicht auch schwer zu spüren bekommt. Doch auch Maria hat ihr Päckchen zu tragen; eine Ehe, in der sie sich erst noch verlieben muss und Gefühle, die besonders zu Kriegzeiten, schwierig sind zu entwickeln und sich sicher zu sein. Der Zweifel nagt an ihr, doch es gibt Wichtigeres, das bald die Prioritätenliste übernimmt.
Auf dem Klappentext überhaupt nicht erwähnt, aber genauso eine Hauptrolle besitzend wie ihre Mütter, sind die Töchter Anna und Antonia. Schnell sind sie mir ans Herz gewachsen, obwohl mir erst Anna viel sympathischer war als Antonia, doch der Leser erfährt später in der Geschichte mehr über ihre Beweggründe. Auch die Hintergründe der Ehen, von den Männern, lernt man mehr während der Lektüre und beide Geschichten entwickeln sich nicht so, wie ich es erwartet habe, jedoch sehr authentisch, sofern ich das überhaupt beurteilen kann. Gerne hätte ich mehr über Philip erfahren, seine Sicht auch den Krieg, die Ereignisse in seinem Haus, nachdem er seine Frau Vivien zur Schwägerin aufs Land schickt zum Schutz. Gerne hätte ich mehr über die Geschichten der Juden erfahren, denen er geholfen hat. Doch das bleibt nur Kulisse, denn in diesem Roman dreht sich alles um die Frauen.
Trotz vieler sehr trauriger Kapitel, gibt es auch fröhliche Passagen, witzige Gespräche und viele mutmachende Ereignisse. Genauso viele vielleicht, wie es traurige und wütende Szenen gibt. Auch wenn der Roman Fiktion ist, kann man sich sehr gut vorstellen, wie es damals, in den wirklichen Kriegsjahren war. Die Beschreibungen sind mitreissend, der Schreibstil gefühlvoll, die Figuren sehr lebendig. Am Ende hatte ich sogar Tränen in den Augen, vor Trauer und vor Freude, genauso wie ein gutes Buch sein sollte. 
 

4.5 / 5 Sterne