Rezension

Gefühlvolles Abenteuer

Eine Insel zwischen Himmel und Meer - Lauren Wolk

Eine Insel zwischen Himmel und Meer
von Lauren Wolk

Bewertet mit 4 Sternen

Crow ist 12 Jahre und in einem Alter, in dem man anfängt, über die Welt und sich selbst nachzudenken. Crow hat dazu aber auch allen Grund. Als Baby hat man sie in einem Holzboot ausgesetzt…. und sie hatte Glück, dass sie von dem Einsiedler Osh gefunden wurde, der Crow ihren Namen gab und seither ein Vaterersatz für sie ist. Die beiden sind ein eingeschworenes Team, das sich in der rauen Natur einer Insel ein Refugium geschaffen hat, zu dem sonst nur noch die nette Nachbarin Miss Maggie gehört. Und eigentlich ist Crow zufrieden. Aber naja, sie ist nunmal 12 und hat Fragen. Sie möchte wissen, woher sie kommt, wer ihre Eltern sind und warum viele Inselbewohner so abweisend zu ihr sind. 

„Eine Insel zwischen Himmel und Meer“ landete von der Programmvorschau direkt auf meinem Wunschzettel, weil mir im letzten Jahr "Das Jahr, in dem ich lügen lernte" von der Autorin so gut gefallen hat. Es ist eigentlich ein Kinderbuch, aber Lauren Wolk sagt selbst, sie habe während des Schreibens keine konkrete Zielgruppe vor Augen. Und so ist es im Grunde ein Buch für jeden, der zauberhafte, kleine Geschichten mag und Freude an guter Sprache hat.

Zeitlich wird man in die 1920er Jahre versetzt. Crows Nachforschungen zu ihrer ursprünglichen Familie führen zu der unbewohnten Insel Penikese, die es tatsächlich gibt und auf der früher Leprakranke behandelt worden sind. Sie vermutet, dass ihre Eltern hier gelebt haben und plant einen Ausflug dorthin. Dabei geraten die Dinge jedoch auf abenteuerliche Weise in Bewegung. 

Insgesamt ist es eine wunderbare Mischung aus Spannung und Gefühl, größtenteils aber eine eher ruhige Geschichte. Ausgesprochen gerne mochte ich den federleichten Schreibstil, der die Seiten nur so dahinfliegen lässt und den aufgeweckten Blick, den Lauren Wolk immer wieder beweist und der ein Charakteristikum ihrer Bücher ist.

"Ich lernte gerade, dass manche Dinge Zeit brauchen und dass nichts schneller geht, wenn man sich Sorgen macht." (S. 97)

Aber auch die sympathischen Protagonisten haben es mir angetan. Crow, weil sie charakterfest und clever ist. Osh, der wie ein Fels in der Brandung nie die Ruhe verliert und Miss Maggie, die glatt eine Schwester von Minerva McGonagoll sein könnte - auch wenn ich bis jetzt nicht weiß, wie alt sie eigentlich ist. Die spärlichen Informationen zur Biografie der Figuren sind aber zu verschmerzen und die Botschaft klar: "Familie SEIN" bedeutet mehr als Blutsverwandtschaft und Herkunft. Es geht vielmehr um Werte, die miteinander gelebt werden. Deshalb kann sich eine Familie unabhängig von individuellen Vorgeschichten überall und zu jeder Zeit zusammenfinden. Theoretisch! Schön wäre es auf jeden Fall und wunderbar zu lesen ist es auch. Obwohl es am Rande zu einigen negativen Erlebnissen kommt, hat Lauren Wolk einen positiven Grundton kreiert, ohne viel Drama und schwere Konflikte. Sehr gelungen ist auch die Inselatmosphäre. Während des Lesens kam bei mir richtig Fernweh auf, weil mir die kleine Hütte von Osh und Crow, Strand und Wellen so deutlich vor Augen standen.

Wenn die Autorin ihre Geschichten nun noch mit etwas mehr Fingerspitzengefühl beenden würde, hätte ich rein gar nichts zu kritisieren. Ähnlich wie in "Das Jahr, in dem ich lügen lernte", habe ich die Spannungssteigerung auf den letzten Seiten nämlich als völlig unnötig empfunden, da Crows kleines Abenteuer für mich eigentlich schon früher rund und zu Ende erzählt war. Aber das ist eine Kleinigkeit und fällt kaum ins Gewicht.

Fazit: Ausgewiesen als Kinderbuch für 10-13jährige kann ich "Eine Insel zwischen Himmel und Meer" allen empfehlen, die Freude an gut geschriebenen, emotionalen Geschichten haben. Lauren Wolk erzählt von der Härte des Lebens und wie man ihr mit Vertrauen, Bescheidenheit und Zusammenhalt begegnen kann. Ein Buch zum Wohlfühlen, klar und ausdrucksvoll verfasst, das sich abenteuerlich entwickelt und ein bisschen historisches Wissen vermittelt.