Rezension

Gefühlvolles Buch über eine furchtbar traurige Geschichte

Wenn ihr uns findet - Emily Murdoch

Wenn ihr uns findet
von Emily Murdoch

Bewertet mit 4 Sternen

Meinung:
Ich ging eher mit einem merkwürdigen Gefühl an dieses Buch heran. Theoretisch wusste ich von vornherein, worum es geht und wie ich in Beziehung zu diesem Thema reagieren würde. Das es mich traurig machen würde, wie fast jedes Realitybuch. Irgendwie wusste ich das von diesem Buch ganz besonders, ich weiß auch nicht warum. Das Thema war zwar interessant, jedoch ist mir beim Lesen das ein oder andere Mal ziemlich schwer ums Herz geworden. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir gar nicht so schwer, es war relativ einfach. So fängt das Buch direkt damit an, dass die Mädchen gefunden werden. Es gibt viele Rückblicke und Carey, aus deren Sicht alles erzählt wird, lässt einen oft an ihrer Vergangenheit teilhaben. So erklärt sie zum Beispiel, wie sie und ihre Schwester im Wald überlebt haben. Und das Ganze kam mir ziemlich hart vor. Die Atmosphäre des Buches konnte ich irgendwie nicht so richtig einordnen. Es ist nicht direkt düster, aber auch nicht wirklich fröhlich. Eher etwas "ahnungslos" (kann eine Atmosphäre ahnungslos sein?). Ich weiß nicht wirklich, wie ich das formulieren soll. Es war verwirrend von der Atmosphäre her. Immerhin mussten sich die Mädchen erst einmal an ihre neue Umgebung und die Zivilisation gewöhnen. Jenessa zum Beispiel kannte eigentlich nichts anderes an den Wald und Carey war wohl so um die acht Jahre alt, als ihre Mutter sie in den Wald verschleppt hat. Und was die Mädchen dort erleben mussten war natürlich nicht schön. Die Geschichte ist wirklich interessant. Sie hat mich zum nachdenken angeregt. Carey und Jenessa waren wirklich tolle Charaktere und wenn ich ehrlich bin hat mich dieses Buch des Öfteren an den Film "Mama" erinnert, der letztes Jahr ins Kino kam. Da ging es ja auch um zwei verwahrloste Mädchen. Und so ähnlich ging es ja auch hier zu, nur das dies kein Horrorfilm war. Jenessa war schnell zutraulich, während Carey ein klein bisschen misstrauisch war. Auf jeden Fall hat mich das alles auf emotionaler Ebene sehr berührt. Wie die Beiden so lange alleine auskommen mussten, wie sie versuchen sich einzugliedern und nicht zuletzt wie Carey die Verantwortung übernommen hat. Auch was während der Zeit im Wald geschehen ist, hat mich sehr mitgenommen. Ich habe mitunter wirklich lange über diese Geschichte nachgegrübelt. Obwohl die Geschichte an sich wirklich sehr interessant ist, war es für mich nicht direkt ein Page-Turner. Irgendwas fehlte mir da, ich weiß nur leider nicht so genau was. Das Ende wiederum hat mich wieder ziemlich umgehauen. Ich wusste zwar, dass noch nicht alle Geheimnisse gelüftet wurde, aber das hätte ich nicht erwartet. Man konnte sich zwar etwaige Situationen ausmalen, aber bei dieser hat sich wirklich meine Hand in der Bettdecke festgekrallt und ich musste das Buch erst einmal für einen kurzen Moment zuschlagen. Ich war fassungslos und sehr geschockt, aber auch froh, dass die Mädchen dem Wald entkommen sind. Der Schreibstil der Autorin war sehr flüssig und schön zu lesen. Sehr authentisch und leicht. So konnte ich wirklich glauben, dass Jenessa noch ein kleines Mädchen ist und Carey Worte wie "Shampoo" nicht kannte. Das hat einem das Buch noch einmal schön lesen lassen.

Charaktere:

Carey: Ein 15-jähriges Mädchen, dass nicht nur um ihr eigenes Überleben, sondern auch um das ihrer Schwester bemüht war. Carey war nicht nur äußerst verantwortungsvoll, sie hat vor allem immer zuerst an Jenessa gedacht und sich um sie vor allem Sorgen gemacht. Was mit ihr geschah, war ihr mitunter egal, Hauptsache ihrer Schwester ging es gut. Für die Kleine wäre sie wirklich durchs Feuer gegangen. Was wohl vor allem daran lag, dass die Mutter die Beiden viel zu sehr im Stich gelassen hat. Für die Mutter zählten nur die Drogen. Und genau deshalb hatte man oft den Eindruck, dass Carey weniger die Schwester von Jenessa, als die Mutter ist. Zumindest ist sie irgendwie in die Mutterrolle geschlüpft, denn diese hat die Mädchen ja gerne mal mehrere Wochen alleine gelassen und alles auf Carey abgewälzt. So hat sich Carey um Jenessa gekümmert, wenn sie krank war, wenn sie gefroren hat oder Ähnliches. Sie hat sie sogar beim Essen ermahnt schön langsam zu essen, weil ihr Magen das nicht besser vertragen würde. Selbst Schulsachen wie Lesen und Schreiben hat sie ihr beigebracht. Man hatte oft den Eindruck, dass Carey Jenessa besser kennt als alles andere, das sie jedes kleine Zeichen bei ihr deuten kann. Sie hat sich halt um die Kleine gekümmert wie eine Mutter um ihr Kind. Und vor allem das war etwas, was mich unglaublich berührt hat. Zudem hatte Carey ja noch mit anderen Problemen zu kämpfen, wie mit einer neuen aufmüpfigen Stiefschwester oder den neuen Schulkameraden. Immerhin hat sie noch nie eine Schule besucht, und wenn doch, dann ist es sehr sehr lange her. Aber Carey war ein liebes Mädchen, dem man nicht böse sein konnte und das man wirklich gern hatte. Sie war wie ein kleiner Welpe, der sich in seiner neuen Umgebung erst einfinden musste.

Jenessa: Ein etwa achtjähriges Mädchen, dass bereits im Wald geboren wurde. Sie ist zuckersüß, wirklich Zucker. Und sie ist stumm, aber freiwillig. Sie redet mit niemandem außer Carey und dass auch nur wenn die Beiden alleine sind. Jenessa ist halt ein kleines Mädchen, dass keine Ahnung hat, dass es noch etwas außer dem Wald gibt. Einen Fernseher, eine Mikrowelle, Dinge die für uns alltäglich sind kennt sie nicht. Carey muss sie in alles hineinführen. Aber Jenessa ist leicht zutraulich, sie hat sich zum Beispiel sofort in den Hund des Vaters verliebt und schien auch kein Problem mit seiner neuen Frau zu haben. Auch in der Schule schien sie keine Probleme zu haben. Alle haben sie geliebt, sie ist ein wirklicher kleiner Sonnenschein. Und das ist sie wirklich. Jenessa ist so putzig und süß und zum Knuddeln. Auch wenn sie schlimme Sachen erlebt hat, so scheint sie das alles schnell hinter sich zu lassen in ihrem neuen Zuhause. Obwohl sie das ein oder andere Geheimnis mit Carey teilt. Die Hauptgeschichte dreht sich eigentlich eher um Carey. Jenessa ist eher interaktiv mit dabei. Denn da sie nicht spricht wird häufig eher mit Carey gesprochen wenn es um sie geht. Was man allerdings ganz deutlich merkt, ist eine Art Verlustangst, die Jenessa hat. Sie liebt ihre Schwester über alles und würde sie auf keinen Fall ohne sie gehen lassen. Immerhin wurde sie bereits von ihrer Mutter verlassen. Ansonsten ist Jenessa ein ruhiges, wenn auch aufgewecktes Mädchen, dass einfach nur ein absoluter Sonnenschein war. Sie war sooo soooo soooooooo süß!
Zitate:
Es sind ihre Worte. Und ihre Entscheidung, ob sie sie benutzt. Oder eben auch nicht.
Carey
"Wir fühlen uns mit dem Vertrauten verbunden. Wir finden die Schönheit, selbst im Mangel. Das ist menschlich. Wir machen das Beste aus dem, was wir haben."
Melissa (Stiefmutter)

Fazit:
Eine berührende Geschichte, die mich das ein oder andere Mal hat schlucken lassen. Gefühlvoll und Einfühlsam erzählt die Autorin hier eine Geschichte, von der man wünschte, dass so etwas nicht passieren würde. Tut es leider doch. Carey war eine tolle Protagonistin, die versucht hat immer für Jenessa da zu sein. Diese wiederum wurde von allen geliebt und schien jeden Menschen zu mögen. Die Beiden Mädchen waren tolle Charaktere, deren Geschichte einen sehr berührt hat. Trotzdem hat mir irgend etwas bestimmtes gefehlt. Auch wenn dieses Buch interessant war, war es trotz der originellen Geschichte und den tollen Charakteren kann ich dem Buch nicht die volle Punktzahl geben. Dazu fehlte mir dieser gewisse Zauber, dieses vollkommene Abtauchen.
Daher kann ich dem Buch leider schweren Herzens nur 4/5 Schmetterlingen geben.