Rezension

Gegen das Vergessen

Die Konspirateure - Ludger Fittkau, Marie-Christine Werner

Die Konspirateure
von Ludger Fittkau Marie-Christine Werner

Bewertet mit 5 Sternen

»Immer schauen, ob jemand gezielt hinter einem hergeht oder nicht. Die Bahnhöfe, die Züge bieten den Schutz der Menschenmasse, aber in der hektischen Menge lauert auch jederzeit Gefahr. Die Polizeistationen sind nicht weit von den Gleisen entfernt. Die Knotenpunkte werden von den Behörden überwacht, damals wie heute. Durchatmen kann, wer weit draußen ist. Am Strand eines Seebades. Oder in den Bergen, wenn man beim Wandern genau sehen kann, dass einem niemand folgt.«

Den Namen Claus Schenk Graf von Stauffenberg kennt vermutlich jeder und bringt ihn auch ohne Detailkenntnisse mit dem Attentat des 20. Juli 1944 in Verbindung. Der deutsche Widerstand war jedoch nicht auf diesen prominenten Namen beschränkt, es gab weitverzweigte zivile Widerstandsstrukturen, die wichtige Arbeit leisteten und ohne die ein erfolgreiches Attentat in der Folge nicht zum Ziel geführt hätte.

Leider schwinden die Namen dieser zivilen Verschwörer aus der kollektiven Erinnerung immer mehr – wenn sie denn überhaupt je präsent waren. Dieses Buch hat sich die Aufgabe gestellt, gegen das Vergessen zu arbeiten und die vielfältigen Aktivitäten der Männer und Frauen (neu) bekannt zu machen.

 

Es würde vermutlich kaum möglich sein, alle Widerständler namentlich zu erfassen, aber hier wird schon eine ordentliche Anzahl vorgestellt. Interessant ist dabei die Gliederung des Buchs nach Orten ihrer Aktivitäten. Einige davon befinden sich ganz in meiner Nähe, andere kenne ich von Reisen und ich muss sagen, es berührt mich auf eigenartige Weise, wenn ich mir vorstelle, dass sich nur wenige Straßen entfernt Menschen trafen, die aktiv und mutig gegen Hitler und sein Schreckensregime arbeiteten.

 

Wer waren nun diese Menschen? Sie kamen aus verschiedenen sozialen Milieus, hatten teils große politische Differenzen, doch sie einte, dass sie »aus einem Geist heraus empfanden, dachten und handelten«. Wichtiger als Dinge, die Menschen sonst trennt, war das gemeinsame Ziel. Man begegnete sich mit Achtung, schloss Freundschaften und hatte großes Vertrauen zueinander. Wenn man sich vor Augen führt, wie gewaltig und gefährlich der Feind war, gegen den sie kämpften, war das auch unbedingte Voraussetzung. Sehr interessant fand ich auch die Ausführungen zu Frauen im Widerstand, die beachtliche Leistungen brachten!

Die verschiedenen Vereinigungen waren in ihrer Größe sehr verschieden. Das Leuschner-Netz beispielsweise war sehr groß und weit verzweigt, umfasste im Wesentlichen den deutschen Südwesten, die Rheinschiene und Teile des Ruhrgebiets.

 

Fasziniert las ich, wie Menschen ihr Leben ausrichteten, was sie alles (noch zusätzlich zur Gefahr) in Kauf nahmen, um bestmöglich agieren zu können. Da wurde der Beruf des Händlers ergriffen, um eine Rechtfertigung für die zur Kommunikation untereinander notwendigen häufigen Reisen zu haben. Da wurde auf Privatleben verzichtet oder – besonders heftig – Mitgliedschaften in der SS angestrebt, um Informationen über geplante Aktionen zu bekommen. Die schweren persönlichen Gewissenskonflikte, die so etwas mit sich bringt, kann man sich leicht vorstellen. Solche Widerständler landeten nach dem Krieg zudem in Internierungslagern der Alliierten und mussten um ihre Anerkennung als NS-Gegner kämpfen. Nicht immer erfolgreich.

 

Das Verstecken von Juden, Verteilen von Flugblättern, die Pflege internationaler Kontakte und Pläne für die Zeit „danach“ bestimmten den Alltag der Konspirateure. Wäre das Attentat vom 20. Juli erfolgreich gewesen, wäre sogleich ein ausgeklügelter, flächendeckender Plan angelaufen, um Rathäuser, Radiostationen und Polizeiposten auch kleinerer Orte schnell von Regimegegnern zu übernehmen. Es ging schließlich nicht nur um den Tod Hitlers, sondern um die Beendigung des Kriegs und des Massenmords an den Juden. Viele der Akteure wirkten dann auch nach Kriegsende am Aufbau der Bundesrepublik Deutschland mit. Andere zahlten für ihre Arbeit einen hohen Preis, kamen ins KZ, wurden gefoltert und teils noch kurz vor Kriegsende hingerichtet.

 

Trotz des schweren Themas liest sich das Buch sehr leicht. Kurze Kapitel unterstützen dies noch, eingestreute Fotos lockern weiter auf. Ein umfangreicher Anhang zeigt die gründliche Recherche-Arbeit der Autoren und bietet Kurzbiographien der im Buch vorgestellten Personen.

 

Fazit: Ein wichtiges Buch! Diese tapferen Männer und Frauen haben einen Platz im kollektiven Gedächtnis verdient!