Rezension

Gegen jeden Trend leben und lieben: Fleur

Fleur - Benito Wogatzki

Fleur
von Benito Wogatzki

Bewertet mit 4.5 Sternen

Benito Wogatzki legte im Frühjahr 2014 diesen Roman vor: Fleur.

Der Roman ist in zweierlei Hinsicht bedeutsam. Zum einen gehört er zum fast schon untergegangenen Genre des Gesellschaftsromans: Liebe, von der darin variantenreich gehandelt wird, hat einen Bezug zu den Wandlungen in der deutschen Gegenwart; die Charaktere und Konflikte des Romans beziehen aus ihr Tiefe und Wahrhaftigkeit.

Und zum anderen ist es ein heiterer und tragischer Frauenroman, von einem Mann geschrieben, der seine „Geschöpfe“ liebt, ohne ihnen ganz zu verfallen.

Fleur, die dem Roman den Titel gibt, ist sein Mittelpunkt. Fleur ist „la femme-fleur“, ist die Frau an sich, schön, anziehend, erotisch, klug – Fleur ist auf der Suche nach einer männlichen Entsprechung für ihr unermüdliches Herz. Aus ironischer Distanz, die der versierte Erzähler seinem Alter ego Julius – und zuweilen einer auktorialen Stimme – übertragen hat, werden vor allem die männlichen Liebhaber von Fleur geschildert. Kaum einer kann mit ihrem Hunger nach Leben mithalten – aber jeder ist auf seine Weise originell und als Charakter “erzählenswert”.

Der „Knackpunkt der Geschichte“, wie es der Zeitungsmensch Eddie Zacke zusammenfaßt, bleibt aber Fleur. Vielleicht ist sie eine Hetäre, der eine Zeit „nervöser Agonie“ die Intellektuellen zutreibt; in jedem Fall ist sie das Schicksal von Julius, „ein sehr vielseitiges, ein sehr endloses Schicksal...“

Fleur gerät, nach einer Reihe bunter und witziger Episoden, auf einen Weg „nach oben“, der beginnt in der Wendezeit, im Herbst 89. In einer Demo wird sie von Polizisten zu Boden gestoßen, das Foto davon war dann in allen Zeitungen. Ein Banker, dem sie wenig später erklärt, wie man eine Bank führt, empfiehlt sie nach Brüssel, dort ist sie schließlich Kanzleichefin der europäischen Sektion für Verflechtungen. Ihre Liebe zu ihrem Chef, dem Franzosen Arnaud Perignon, macht die Gegenwartshandlung des Romans aus. Es ist, nebenbei, schon bemerkenswert, auf welch einfachen und prägnanten Nenner der Autor die Brüsseler Bürokratie zu bringen versteht. Und es sieht so aus, als seien die Männer „ganz oben“ die Interessanteren. Fleur erlebt das Erotische der Macht, aber mit dem erforderlichen Pragmatismus kann sie nichts anfangen. Scheinbar bleibt ihr nur Julius, der ewige Freund. Zu ihm sagt sie: „Ich bin für die Liebe geboren, Jul, das weißt du. Und ich werde daran sterben...“ So kommt es auch.

Will man das Gegenteil von Banalität, Trend und Klischee – und dennoch Kurzweil und gute Unterhaltung, dann lese man diesen Roman!