Rezension

Gegensätze ziehen sich AUS

Seine sensible Seite - Amalia Frey

Seine sensible Seite
von Amalia Frey

Bewertet mit 4 Sternen

Interessante Liebesbeziehung, zwar wenig Tiefgang + Dramatik, dafür außergewöhnlicher Schreibstil und wunderbar bildreiche Sprache. Beste Unterhaltung!

Zum Buch – Klappentext

Die Autorin Austen staunt nicht schlecht, als sie dem Anwalt Alexander begegnet. Aus Schriftwechseln ist er ihr nur als garstiger Sohn ihres literarischen Mentors bekannt, entpuppt sich allerdings als richtiges Eye-Candy. Alexander fühlt sich ebenfalls von der vierzehn Jahre jüngeren Austen angezogen, der all die väterliche Aufmerksamkeit zuteilwird, nach der er sich als Kind immer gesehnt hat.
Die beiden sollen gemeinsam ein Buch schreiben, doch ist keine Begegnung möglich, ohne dass die Fetzen fliegen. Seine Rollenvorstellungen machen es Alexander schwer, auf die Bedürfnisse der 3rd-Wave-Feministin einzugehen, die nicht minder heftig auf seine Ausbrüche reagiert. Austens Anwesenheit bedeutet Qual und zugleich Glück für den Anzugträger.
Unweigerlich entdeckt er eine sensible Seite an sich, von der er glaubte, sie wäre in den harten Jahren seiner Karriere verloren gegangen …

Cover

Wie so oft bei diesem Genre ziert das Titelbild mal wieder einen sexy Anzugträger. Geschmackvoll gestaltet ist es durch die dunkel-helle Farbgebung. Im Prinzip ein sehr ansprechendes Cover, wenn es nicht schon so viele Titelbilder in dieser Ausführung geben würde!!

Meine Meinung

Vorab

Endlich mal wieder ein Buch, dessen Handlung überwiegend in Deutschland spielt. Dazu ist Berlin wunderschön beschrieben. Aber auch der Abstecher nach Moskau ist interessant zu lesen und gibt der Handlung einen besonderen Charme.

Schreibstil und Erzähl-Perspektive

Der Schreibstil der Autorin ist so wunderbar andersartig, dass ich nur gestaunt habe. Endlich mal was anderes. Hier wird zwischen Poesie und Prosa hin und her gewechselt. Da gibt es Dialekte und freche Sprüche. Da gibt es neue Wortschöpfungen „Schlaufon“ und altmodische Begriffe. Die Autorin jongliert mit Worten und es macht riesigen Spaß, dies zu lesen.

Außerdem benutzt sie eine sehr bildreiche Sprache, sodass ich bei einigen Szenen das Gefühl hatte, selbst Teil dieser Erzählung zu sein.

Die Geschichte wird abwechselnd aus Sicht der beiden Hauptakteure erzählt. Auch hier hat sich die

Schriftstellerin was besonderes einfallen lassen. Die unterschiedlichen Sichtweisen der beiden Helden wird im Buch durch eine rechts- und linksbündige Formatierung dargestellt. Austens Perspektive steht links, die von Alexander rechts. Dies fordert beim Lesen viel mehr Aufmerksamkeit und ist ein tolles Stilmittel.

Charaktere

Austen ist eine junge, erfolgreiche und sehr facettenreiche Jungautorin, die sich mit Lust und Liebe, viel Elan und noch mehr Freigeist durchs Leben schlägt. Sie sagt was sie denkt, sie schimpft und rüpelt wenn ihr danach ist und sie nimmt kein Blatt vor den Mund. Unkonventionelles Verhalten und gute Laune prägen zudem ihren Charakter. Zu allem hat sie eine Meinung und ist zudem auch noch mit teilweise bösem Humor gesegnet. Kurz gesagt, eine Frau nach meinem Herzen. Ich bin auch sofort mit ihr warm geworden.

Ihre hilfsbereite und gutherzige Seite zeigt sie sehr oft und macht sie um so sympathischer.

Alexander ist das genaue Gegenteil. Förmlich, konventionell und verkrampft geht er durchs Leben. Er ist geprägt durch seine Kindheit und sein ganzer Lebensinhalt ist seine Arbeit als Jurist. Er kennt nur „preußische Disziplin“ und Korrektheit. Er ist zudem 14 Jahre älter als Austen, aber ich empfinde ihn manchmal schon als Rentner. Er ist mir für Mitte 40 viel zu überzogen bzw. zu alt dargestellt. Es fällt mir schwer, ihn sympathisch zu finden.

Jedoch ist es schön zu lesen, wie Alexander so langsam seine Maske fallen lässt und so nach und nach ein liebevoller und auch leidenschaftlicher Mann dahinter vorkommt.

So ganz kann ich auch die schnelle Wandlung vom Workaholic zum normalen Arbeitsverhältnis nicht nachvollziehen. Zum Ende des Buches löst sich alles etwas schnell und hastig auf.

Es hat lange gedauert bis die beiden sich ihre Liebe eingestanden haben. Ihr erotisches Liebesleben dagegen, ist sehr anschaulich und leidenschaftlich dargestellt.

Das Buch lebt eigentlich nur von den Disputen, Wortgefechten und das „Sich-Finden“ der beiden Hauptakteure. Es dauert ziemlich lange, bis sie zueinander kommen, mir persönlich zu lange. Einige Passagen ziehen sich unheimlich in die Länge, das ist ein wenig ermüdend zu lesen.

Es gibt auch kaum Dramatik oder Konflikte, da hätte ich mir wirklich etwas mehr Action gewünscht.

Dafür gibt es aber noch einen Handlungsort abseits des Kerngeschehens, nämlich das Verhältnis zwischen Austen und ihrem Bruder Woolf. Die Kabbeleien und auch Streitereien der beiden, aber auch ihr inniges Verhältnis sind wunderschön zu lesen.

Alle Nebencharaktere sind rundum authentisch und liebenswert ausgestaltet und haben auch ihre Eigenheiten und Marotten.

Fazit

Die Autorin hat hier eine unerwartet interessante Liebesbeziehung geschrieben, die zwar wenig Tiefgang und Dramatik hat, dafür aber bestens unterhält. Zudem ist die besondere Schreibweise das Sahnehäubchen in diesem Roman. Daher vergebe ich von Herzen 4 Sterne und kann diesen Roman gerne weiterempfehlen.

Ferner möchte ich mich bei Netgalley sowie beim moments Verlag sehr herzlich für das kostenlose Rezensionsexemplar bedanken. Meine ehrliche Meinung wurde dadurch aber nicht beeinflusst.