Rezension

Gelebte Antike

Die Stadt der schweigenden Berge - Carmen Lobato

Die Stadt der schweigenden Berge
von Carmen Lobato

Bewertet mit 4 Sternen

Die Handlung setzt ein in Berlin im Jahr 1931. Amarna Brandstätter studiert Archäologie und will ihre Abschlussarbeit über den Gilgamesch Epos verfassen. Sie könnte sich eigentlich sehr glücklich schätzen, da sie als junge Frau ihr Traumfach studieren kann. Aber etwas fehlt ihr. Sie hat kaum Erinnerungen an die Zeit vor ihrer Einschulung sowie an ihre Mutter, die früh verstorben ist. Ihr Vater verschließt sich, wenn sie das Thema anschneidet. Dazu wird sie immer vom gleichen nächtlichen Alptraum verfolgt: Sie wird umringt von schwarzgrauen Bergen in einer Ruine verschüttet.

Im Laufe ihrer Studien stößt sie auf die Geschichte der versunkenen Stadt Hattuša und verspürt eine eigenartige Verbindung mit der, im anatolischen Hochland liegenden Kulturstätte. Sie beschließt gegen den Willen ihres Vaters in die Türkei zu reisen und ihr anfangs skeptischer Freund Paul unterstützt sie dabei. Im archäologischen Museum in Istanbul macht sie eine schicksalsschwere Bekanntschaft mit dem Armenier Arman, zu dem sie eine unerklärliche Nähe verspürt.

Das Buch erzählt nicht nur eine sehr schöne Liebesgeschichte, es weckt auch das Interesse an den antiken Kulturen im Gebiet der heutigen Türkei. Eingewebt in die Geschichte von Amarna sind kursiv gedruckt Abschnitte aus der Geschichte von Puduhepa und dem hethitischen Großkönig Hattusili, die im 13. Jahrhundert v.Chr. in Hattuša gelebt haben. Diese beiden Geschichten entwickeln sich parallel und finden auf eine sehr schöne Art und Weise zusammen.

Die Figuren sind sehr einfühlsam charakterisiert. Amarna erscheint für ihre 25 Jahre noch recht unreif, was aber bedingt durch ihre fehlenden Erinnerungen an ihre frühe Kindheit durchaus Sinn macht. Arman ist ein sehr geheimnisvoller Mann, der schon viel leiden musste. Anhand seiner Biografie bringt die Autorin Carmen Lobato den Völkermord an den Armeniern in den Jahren 1915/16 ins Bewusstsein des Lesers.

Mir hat dieses Buch sehr viel Stoff geliefert, um mich eingehender mit der Kultur der Hethiter zu beschäftigen. Ich habe Lust bekommen, altorientalistische Abteilungen in Museen zu besichtigen, die ich bisher immer eher links liegen gelassen habe, weil ich zu der Kultur kaum Zugang hatte.

Ich konnte die Faszination an archäologischen Entdeckungen sehr schön nachempfinden. Mir hat auch die Liebesgeschichte sehr gut gefallen, weil sie für mich eine Parallele darstellt, zu der historisch überlieferten Geschichte von Puduhepa und Hattusili. Einen kleinen Abzug gibt es, weil mir das Liebesgeplänkel zwischen Amarna und Arman stellenweise etwas zuviel war. Da hätte ich lieber etwas mehr stimmungsvolle Bilder zwischen den Ruinen gehabt und etwas mehr Stille.

Ich spreche diesem Roman eine Leseempfehlung aus mit 4 Sternen und freue mich auf die Fortsetzung.