Rezension

Gelebte Liebe

Königskinder
von Alex Capus

Bewertet mit 5 Sternen

Wenn geographische Trennung Herzen näher bringt die Liebe so Distanzen aufzuheben vermag...

Max und Tina, seit 26 Jahren ein Paar, bleiben auf der Fahrt über einen verschneiten und daher gesperrten Alpenpass mit ihrem Auto stecken. Es gibt kein Vor und Zurück. Um die nächtliche Zeit des Wartens zu überbrücken erzählt Max Tina eine Geschichte über den armen Kuhhirten Jakob, der unweit des Passes in einer Melkhütte über Jahre hinweg ein Einsiedlerleben geführt hatte. Dieser arme Kuhhirte verliebt sich in die reiche Bauerstochter Marie - und sie in ihn.

Maries Vater jedoch versucht alles Mögliche, um diese Verbindung zu verhindern. So muss Jakob in den Kriegsdienst ziehen und später dann als Kuhhirte an den Hof von König Ludwig XVI. Hier hütet er die Tiere auf dem Landgut Montreuil (in der Nähe von Versailles), welches extra auf Wunsch von Prinzessin Elisabeth, der kleinen Schwester von Ludwig XVI, errichtet worden ist. Der Bauer glaubt, dass viele Jahre der Trennung die Liebe zu einander in Vergessenheit bringen kann. Aber eher das Gegenteil ist der Fall. Die Liebe und die Sehnsucht zueinander wird in den mehr als zehn Jahren der Trennung immer stärker, so dass Elisabeth von Jakobs unerfüllten Liebe etwas mitbekommt. Sie setzt alle Hebel in Bewegung, um das Paar wieder zusammen zu bringen und holt Marie auf den Hof.

Capus gelingt es die Geschichte von Jakob und Marie sehr lebendig zu halten.

Max und Tina sind ein aufeinander eingespieltes Ehepaar, das respektvoll miteinander umgeht. Sie sind sich bei großen Angelegenheiten des Lebens völlig einig, können aber aber über kleine Dinge, wie Handhabung von Scheibenwischern und Spülmaschinen und kleine grammatikalische Sprachfeinheiten große Diskussionen führen, ohne einander zu verletzen.

Und diese Diskussionsfreude unterbricht öfters die Geschichte von Jakob und Marie, so dass durch kritisches Nachhaken von Tina Schwerpunkte auf Kleinigkeiten der Geschichte gesetzt werden. Auch gewinnt man hier den Eindruck, dass Max' männliche Perspektive durch die weibliche Sichtweise Tinas unterbrochen aber auch ergänzt wird. Durch Tinas Einwände überdenkt auch der Leser die Erlebnisse des bäuerlichen Liebespaares und kommt dadurch beiden Paaren näher. Man ist nicht nur Außenstehender, man wird zum Mitfühlenden.

Capus vermag auch die Zeit des Umbruchs der Französischen Revolution aufzuzeigen, nicht direkt unter dem historischen Aspekt, vielmehr aber wie die einzelnen Leute die Umbrüche gefühlt und erlebt haben und welche Konsequenzen daraus resultierten. Auch andere Fakten, die man so nicht im Kopf hat, werden geschickt eingebettet. Wer weiß denn schon auswendig, wann die Gebrüder Montgolfier ihren Ballon haben starten lassen? Und dass ein 1783 ein Vulkanausbruch verantwortlich war für Missernten und Hungersnöte in Europa? Und dass eine Kuhherde ein Leitkuh hat?

Eine Frage, auf die ich keine Antwort finde, ist: Warum ist auf dem Cover ein einsames, auf einer weiten Sandfläche stehendes in schwarz gekleidetes Liebespaar zu sehen?

Steht diese Liebespaar exemplarisch für Max und Tina als auch für Jakob und Marie, die nur für sich füreinander da sind / bestimmt sind und sich in den Weiten dieser Welt gefunden haben?

Der Liebesroman ist keineswegs kitschig geschrieben; über ihn schwebt keine „rosa Wolke“, aber dennoch etwas Anmutiges. Die Geschichte ist bewegend und tiefgreifend. Die Wortwahl ist schon eher anspruchsvoll, der Schreibstil dennoch flüssig. Sie ist schön zu lesen und sehr entspannend / entschleunigend.

Beim Lesen der Geschichte spürt man die Kraft und den Zauber von der Sehnsucht und der Liebe, die zwischen Menschen existieren und wachsen können.

Ich konnte über die kleinen Auseinandersetzungen von Max und Tina immer wieder schmunzeln, da sie sehr realistisch sind für ein länger verheiratetes Ehepaar und etwas Schwung und Alltägliches in die Geschichte bringen.

Mit seinen 185 Seiten hat der Roman die ideale Länge, um sich eine schöne kurze Auszeit zu ermöglichen. Absolut lesenswert!  ✷ ✷ ✷ ✷ ✷