Rezension

Gelebte Moral

Léon und Louise
von Alex Capus

Bewertet mit 5 Sternen

Das Buch "Léon und Luise" beginnt mit der Beerdigung Léons 1986. Nach einem langen Leben hat er eine große Nachkommenschaft hinterlassen. Das Erscheinen einer alten Frau, die den Toten küsst, und die Reaktion der Familie lässt einen Skandal vermuten.

Ab dem Zweiten Kapitel beginnt dann der Bericht über Léons Leben ab seinem 17. Lebensjahr, als er Louise kennenlernt. Die beiden hat es in jungen Jahren ohne Familie in einen kleinen französischen Ort verschlagen, wo sie Arbeiten der eingezogenen Soldaten verrichten. Louise arbeitet beim Bürgermeister, Léon bei der Bahn. Man kommt sich näher, ganz zaghaft, wie es wohl zu dieser Zeit erwartet wurde. Nach einem zweitägigen Ausflug ans Meer geraten sie in einen der letzten deutschen Angriffe des ersten Weltkrieges, werden beide verletzt und halten sich gegenseitig für tot.

Beide können einander nicht vergessen, dennoch geht das Leben weiter. Léon arbeitet als Chemiker für die Polizei, Louise als Tippmamsell für die Bank, beide in Paris. Léon gründet eine Familie. Und dann begegnen sie einander wieder.....

Da der Enkel Léons der Erzähler ist, erfährt man recht viel über seinen Großvater, nicht sehr viel über Louise. Ihre Gedanken stammen aus Briefen, die sie Léon geschrieben hat. Für beide scheint das Leben ohne große Höhen und Tiefen dahinzuplätschern. Keine Rede von Karriere, Verzweiflung, Eifersucht, großer Liebe. Das ist einfach da und gehört dazu. Aber es gibt Regeln, die so tief verwurzelt sind, dass man gar nicht auf die Idee kommt, sie zu brechen.

Natürlich hat man Angst, wenn die Deutschen in Paris einmarschieren, aber man hat eigene Vorstellungen von Moral und dazu gehört auch ein gewisser Widerstand. Damit hebt sich Léon deutlich von seinen Mitarbeitern ab. Er führt ein moralisches Leben, er hilft wo er kann, aber die Sicherheit der Familie steht immer an erster Stelle. Er hat ein "friedfertiges Phlegma", eine "fröhliche Schwermut" und ist ein freundlicher Rebell. Er hat nur dieses eine Leben und das geht seinen Gang. Am Ende führt es ihn wieder zurück zu seiner allerersten Liebe, einem Boot. Und vielleicht wird auch sein Warten auf Louise belohnt. Oder ist die Liebe, die durch das Warten an Intensität gewonnen hat, Lohn genug?

Das ist eine ganz einfache, kleine Geschichte von einem ganz normalen Leben. Und doch steckt eine ungeheure Spannung darin. Alex Capus benutzt eine einfache, sehr stilsichere Sprache, die diese scheinbar einfache Geschichte perfekt wiedergibt. Dieses Buch habe ich in kürzester Zeit verschlungen und bin sicher, dass ich es mindestens noch einmal lesen werde. Ich glaube, dass noch viel mehr darinsteckt, als beim ersten Lesen erkannt werden kann.
 

Kommentare

Naibenak kommentierte am 17. März 2014 um 09:25

Oh ja... dies Buch habe ich auch sehr gemocht!!! Eine schöne Sprache hat Capus! :)