Rezension

Gelungene Anthologie

Märchenmorde 1 - Andreas M. Sturm, Martina Arnold, Franziska Steinhauer, Bernd Köstering, Mario Schubert, Frank Kreisler, Gisela Witte, Connie Roters

Märchenmorde 1
von Andreas M. Sturm Martina Arnold Franziska Steinhauer Bernd Köstering Mario Schubert Frank Kreisler Gisela Witte Connie Roters

Bewertet mit 5 Sternen

„...“Du kennst dich doch gut in Dresden aus?“ „Ich glaube schon. Wenn man nicht weiß, welches Schloss von wem ist, sagt man einfach „August der Starke“ und hat meistens recht.“...“

 

Die Anthologie enthält 15 Geschichten von 14 Autoren. Altbekannte Märchen wurden unter einem völlig neuen Blickwinkel erzählt und in die Gegenwart übertragen. Dabei bringt jeder Autor seine ganz persönliche Handschrift und Idee ein. Mord und Totschlag spielen jeweils eine besondere Rolle.

Das Eingangszitat stammt aus der Geschichte, die als Grundlage das Märchen Aschenbrödel hat. Sie findet ihren Prinz, der ein Student aus dem Ruhrgebiet ist, in Moritzburg. Dann aber erscheinen Stiefmutter und Stiefschwester, um sie zurück zu holen.

Der Fall vom Wolf und den sieben Geißlein landet vor Gericht. Der clevere Anwalt des Wolfes sieht das so:

 

„...Der Wolf suchte nichts weiter als eine Unterkunft für die Nacht, als er das erste Mal an der Tür der Familie Geiß klopfte...“

 

Das Märchen von der kleinen Meerjungfrau führt zu einem Szenario, das betroffen macht. Die kleine Schwimmerin gerät in die Hände eines Mannes, der ihr zwar Liebe vorspielt, aber nur Mädchen mag, die noch nicht zur Frau erblüht sind. Als er sie abserviert, schließen sich die Opfer zusammen.

Schneeweißchen und Rosenrot sind zwei junge Damen, die auf eine Internet-Bekanntschaft warten. Er hat eine von ihnen auf einen Berg zu einer Wanderung bestellt. Natürlich kommt die Schwester mit. Er bezeichnet sich als Kuschelbär. Beim Anblick des Herrn stellt eine fest:

 

„...Mach dich locker. Wir wissen doch beide, dass die Herren der Schöpfung gelegentlich bei ihrem Aussehen ein wenig flunkern...“

 

Zu meinen Lieblingsgeschichten gehört die Adaption vom hässlichen jungen Entlein. Sie zeigt, welche Folgen ein falsches Selbstbildnis haben kann und wie Neid und Missgunst zu einem hässlichen Charakter führen. Der schöne Schwan war nur äußerlich schön.

Weitere Märchengestalten finden sich in völlig neuer Position. Dornröschen gerät zwischen die Fronten der Familienstreitigkeiten, Rapunzel erweist sich als unehelicher Sohn und der gestiefelte Kater agiert im Mafiamilieu.

In einer der Erzählung darf ich den Gebrüdern Grimm bei deren Entstehung über die Schulter schauen.

Manche der Geschichten sind durch tiefschwarzen Humor gekennzeichnet, andere legen auf märchenhafte Weise den Finger in die Wunden unserer Gegenwart.

Die Anthologie hat mir sehr gut gefallen. Das gilt sowohl für die Auswahl als auch für die vielschichtige Umsetzung. Die ursprünglichen Märchen haben einen hohen Wiedererkennungswert.

Ein kurzer Lebenslauf der beteiligten Autoren befindet sich am Ende des Buches.