Rezension

Gelungene Fortsetzung

Die Spiegelreisende - Christelle Dabos

Die Spiegelreisende
von Christelle Dabos

Der heiß ersehnte zweite Band der Spiegelreisenden-Saga steht dem ersten Band in nichts nach. Und entführt uns noch tiefer in Ophelias Welt, eine Welt, in der die Erde in Splitter zerbrach und die verbleibenden Erdinseln von mächtigen Familiengeistern beherrscht werden. Die Völker auf diesen Erdinseln, den „Archen“, besitzen besondere Fähigkeiten: Leser von der Arche Anima können etwa die Vergangenheit von Gegenständen erspüren, nur indem sie sie berühren. Die Miragen dagegen erschaffen Illusionsbilder, die eine heruntergekommenen Bruchbude im Nu wie einen majestätischen Palast aussehen lassen. In Band 1 wird Ophelia, eine junge Leserin aus Anima, unfreiwillig dem kühlen Thorn, einem Bewohner der Arche Pol, versprochen. Im völligen Unwissen über ihre Zukunft folgt sie Thorn auf seine Heimatarche, und muss sich inmitten der Intrigen und Geheimnisse des Hofstaates auf der Himmelsburg, der bald ihre neue Heimat wird, zurechtfinden.

Im Fortsetzungsband wird Ophelia mit einer seltsamen Entführungsserie konfrontiert – wichtige Mitglieder des Hofes am Pol, verschwinden einfach aus der vermeintlich unüberwindbar sicheren Himmelsburg. Außerdem soll Ophelia den Geheimnissen eines uralten Buches des Familiengeistes Faruk auf den Grund gehen…Einem Buch, das niemandem zuvor seine Vergangenheit enthüllt hat. Und dann platzt auch noch Ophelias Familie in die eisige und feindliche Welt des Pols…

Band zwei der Newcomer-Autorin Christelle Dabos bleibt dabei so spannend, originell und fantasievoll wie der erste Band. Man rauscht durch die Seiten und das knapp 600 Seiten starke Buch ist im Nu durchgelesen. Nicht ohne Grund wurde Dabos schon mit J.K. Rowling verglichen, denn ihre Ideen sind frisch und unverbraucht und sie entspinnt ein völlig eigenes, neues Fantasy-Universum – ohne die typischen 08/15 Ideen von Elfen, Vampiren und Co aufzugreifen.

Ansonsten hat mich nicht nur der überwältigende Schreibstil von Dabos für sie eingenommen – Dabos schreibt detailverliebt, atmosphärisch und in wunderbaren Dialogen – sondern besonders ihre komplexen Charaktere. Wenig ist so, wie es auf den ersten Blick scheint, die Charaktere entwickeln sich stetig und machen die Story wenig vorhersehbar.

Besonders schön hier: Die Charakterentwicklung der Protagonistin Ophelia. Ist sie anfangs noch schüchtern, spricht nur mit leiser Stimme und traut sich wenig zu - so bietet sie in Band 2 selbstbewusst dem gesamten Hof und Familiengeist die Stirn. Trotzig spricht sie ehrlich ihre Meinung aus - in dem Hofstaat voller Lügen und Intrigen eine Seltenheit. Ophelia ist damit ein großartiges Vorbild für junge Leserinnen und emanzipiert sich selbst. Das Buch gipfelt schließlich in einem – für mich – fulminanten Ende, über das an dieser Stelle nicht zu viel verraten werden soll. Jetzt bleibt leider nur eins: Warten auf den nächsten Band! Der erscheint aber zum Glück noch dieses Jahr…