Rezension

Gelungene Fortsetzung, die neugierig auf Band 3 macht

Vollendet - Der Aufstand - Neal Shusterman

Vollendet - Der Aufstand
von Neal Shusterman

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt

Connor, Risa und Lev ist das Unmögliche gelungen: Sie sind der Wandlung im Ernte-Camp entkommen. Connor muss sich nun als Anführer der Flüchtlinge beweisen, mit Risa an seiner Seite, und Lev versucht, als Klatscher, der nicht klatschte, einen Neuanfang zu wagen. Noch immer spricht das ganze Land von ihrer spektakulären Flucht. Ihre unfreiwillige Publicity macht sie zu Feinden des Systems, weshalb sie dringender gesucht werden denn je. Gerade jetzt sind Zusammenhalt und Vertrauen von oberster Priorität. Doch unter der Oberfläche brodeln Hass, Rachegelüste und Missgunst und breiten sich aus wie ein schleichendes, todbringendes Gift, das selbst die stärkste Gemeinschaft entzweihen kann.
Einer wird sein zu Hause verlieren, einer wird verraten werden und einer wird auf Cam treffen, der neuesten medizinischen Schöpfung des Proaktiven Bürgerforums. Diese Bekanntschaft wird sämtliche Vorstellungen von Ethik und Moral infrage stellen. Denn jemanden wie Cam sollte es nicht geben.

Meine Meinung

Ich kann immer noch nicht ganz fassen, dass wie lange es gedauert hat, auf Neal Shusterman als Autor zu stoßen. Dank "Scythe" ist er in (fast) aller Munde, ich persönlich bin aber durch das Lesen des ersten Bandes seiner "Vollendet"-Reihe auf seinen Geschmack gekommen. Zum einen weiß er sich auf eine Weise auszudrücken, die Interesse weckt, weder zu komplex noch zu schlicht oder zu detailverliebt ist. Außerdem schätze ich es sehr, dass er nicht zu melodramatisch, zu schmalzig oder pathetisch wird und immer Platz für den ein oder anderen sarkastischen Kommentar lässt. Dadurch gestaltet sich für mich der Leseprozess sehr angenehm. Zum anderen stellt er seinen Einfallsreichtum immer wieder durch gute Plottwists unter Beweis - das gilt definitiv auch für "Vollendet - Der Aufstand".
Dennoch konnte ich emotional nicht nahtlos dort anknüpfen, wo ich nach Band 1 aufgehört habe. Die Fortsetzung war aufschlussreich und hat die Story, besonders zum Ende hin, ein gutes Stück vorangebracht, aber mein Leserherz war nicht in dem Umfang dabei, wie es das beim ersten Band war. Das lag unter anderem an meinem geringeren Bezug zu den Charakteren. Shusterman gewährt wieder Einblicke in die Perspektiven diverser Personen beider Parteien, d.h. sowohl von EAs (flüchtigen Wandlern) als auch von (Ex-)JuPos und Wandlern bzw. dem Verbundmenschen Cam, was eine gewisse Sprunghaftigkeit in der Erzählung zur Folge hat. Auch die Hauptfiguren Connor, Risa und Levi sind zu meiner großen Freude wieder zentrale "Helden", da sie mir im ersten Roman ans Herz gewachsen sind. Allerdings empfand ich diesmal eine gewisse Distanz zu ihnen, denn für meinen persönlichen Geschmack wurde ihr Innenleben zu wenig beleuchtet. Am meisten erfährt man noch über Risas inneren Konflikt, aber das war für mich nicht ganz ausreichend. Außerdem habe ich ihre Gruppendynamik vermisst, weil sie (erneut) getrennte Wege gehen. Es treten eine Reihe neuer Charaktere auf den Plan (z. B. löst Starkey Roland als - ich kann es nicht anders ausdrücken - Kotzbrocken ab), die ich mehr oder weniger gut leiden konnte. Bei manchen von ihnen würde ich mir wünschen, mehr über sie zu erfahren bzw. dass sie tragendere Rollen zugewiesen bekommen. Das gilt natürlich auch für einige bereits bekannte Flüchtlinge auf dem Flugzeugfriedhof. Ich bin gespannt, was Shusterman für sie alle noch in petto hat.
In Bezug auf die Storyline war ich soweit zufrieden: Es gab einige Überraschungen und Neuerungen und man erfährt allmählich etwas zum historischen Hintergrund, d.h. wie es überhaupt zum Wandlungsgesetz gekommen ist. Shusterman baut dazu wieder fiktive und reale Zeitungsartikel, Bekanntmachungen etc. ein, aus denen man Informationen zu den aktuellen und vergangenen Ereignissen in der restlichen Welt entnehmen kann. Ich finde diese Methode super, weil der Leser so im Bilde ist, ohne dass er aus der Haupthandlung herausgerissen wird. Trotz des interessanten Geschehens hielt sich die Spannung aber eher auf einem moderaten Level. Gegen Ende spitzen sich die Ereignisse zwar zu, aber es mangelt für meinen Geschmack noch an handfester Action und einem gewissen Thrill (mit einigen Ausnahmen). Band 2 legt eher das Fundament für fulminantere Ereignisse, die (dessen bin ich mir sicher!) künftig kommen werden.

Mein Fazit

Shusterman konnte mich auch mit dem zweiten Band seiner Reihe im Großen und Ganzen überzeugen. Die Story ist nach wie vor fesselnd und es gelingt Shusterman immer wieder, mich zu überraschen, sodass ich den Ausgang der Geschichte bzw. den Weg dorthin bisher nicht erahnen kann. Aber: Wenngleich ich die Handlung mit Interesse mitverfolgt habe, wollte sich bei mir über lange Strecken kein rechtes Spannungsgefühl aufbauen. Mir fehlte hier diesmal der Knalleffekt. Ich habe eher den Eindruck, als würde Band 2 auf einschneidendere Ereignisse im dritten Teil vorbereiten, was bei Reihen nicht unüblich ist. Aus der Perspektive betrachtet ist es eines der gelungeneren "Brückenbücher", sodass ich Band 3 mit Freuden entgegenblicke.

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