Rezension

Gelungener, einzigartiger Roman

Das Ohr des Kapitäns - Gisbert Haefs

Das Ohr des Kapitäns
von Gisbert Haefs

Meine Meinung
Geschichte

Das fatale Ereignis in den 1720ern mal ganz anders.
Der Einstieg war simpel und sollte uns noch mehr oder weniger verfolgen. Die Szene um das Ohr des Kapitäns wurde auf Papier gebracht und szenisch wunderbar beschrieben. Dadurch entstand die Illusion bei mir, dass auch die Geschichte dort spielen wird: Auf dem Meer.
Doch Autor Haefs ließ sich etwas ganz anderes einfallen: Er mischte die Fiktion mit der Non-Fiktion und plötzlich landete der Leser auf einer interessanten Schatzsuche, dessen Geschichte Generationen verknüpft und Distanzen überbrückt.
Erzählt wird die Geschichte einige Jahre später durch die Augen der Beteiligten. Während der Reise tritt der Protagonist in Kontakt mit dem Romanautor Tobias Smollett, der im damaligen Krieg Schiffsarzt war. Dieser ist von einer komischen Natur, aber immer auf der Suche nach neuen Geschichten und vermutlich weniger Einsamkeit. Somit kommt es dazu, dass die Geschichte des Krieges aus zwei Sichten erzählt wird...aus englischer und auch spanischer.
Zum einen war das eine wirklich tolle Idee. Man stellt sich somit auf keine Seite, erlebt beide Perspektiven und ist dennoch mittendrin. Durch die leicht säuerliche Art und Weise Smolletts hat man zudem einige Anekdoten. Leider wurde auch viel in der Zeit gesprungen. Von einem Tag zurück zu einem älteren. Es gab viele Unterbrechungen, wie sie bei einer Erzählung nur natürlich sind und viele griesgrämige Gefechte zwischen den Beteiligten. Manchmal wirkte alles nur verwirrend und unsortiert.

Charaktere

Die Charaktere passten alle hervorragend in die Zeit des Krieges. Doch weit weg vom "bösen Anführer"-Klischee, hat man hier einen gerechten und freundlichen Kapitän, den man dennoch nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.
Schön fand ich vor allem auch die ausführlichen Beschreibungen des Schwarzen Ortiz, der viel Talent aufwies und somit nicht nur ein schlichter Putzjunge war und das Deck schrubbte.
Schwierigkeiten hatte ich mit Romanautor Tobias Smollett. Die Zeit scheint ihn bitter gemacht zu haben. Ständig fallen herablassende Kommentare von ihm, die als Witz und Ernst gleichzeitig gehandhabt werden können. Es fiel mir als Leser schwer, ihn zu mögen - das war wohl auch nicht die Intention. Er war das Gewürz in der Suppe und gab dem Buch eine besondere Note.
Allgemein kam man den Charakterne nur geringfügig näher. Alles bleibt eher auf Distanz, was auch hilft, das Buch subjektiv zu sehen.

Schreibstil & Sichtweise

Oft habe ich Probleme mit Schreibstilen in historischen Romanen. Sie sollen informativ sein und den Leser trotzdem fesseln, doch oft geht der "fesselnde" Aspekt verloren unter Fakten. Hier jedoch war das ganz anders. Durch die Mischung mit der Fiktion wird das Buch lebendiger. Dadurch wird dem Schreibstil mehr Freiraum gelassen, der auch genutzt wurde. Langweilig wurde mir nie.
Geschrieben ist das Buch in erster Linie aus der Sicht des Kapitäns Belmonte. Doch auch andere Sichtweisen werden zwischendurch eingebunden.

Cover & Titel

In der oberen Hälfte sieht man eine Karte, während in der unteren die Schiffe schwimmen, mit dem Nebel von Kanonenfeuer. Durch die Farbe wirkt alles ein wenig veraltet, wie auf einem alten Stück Papier. Das gefiel mir sehr gut, da es ja ein historisches Buch ist. Das Cover gefällt mir sehr gut.
Auch der Titel ist anziehend und vielleicht der wichtigste Auslöser im Krieg. Weshalb er wohl auch gewählt wurde. Es wird zu Anfang und Ende erwähnt, doch verliert etwas an Bedeutung.

Zitat
" 'Muß ich etwas unterschreiben?' 'Das machen wir per Handschlag. Hände halten länger als Papier, hombre.' " 
- Seite 20
Fazit
Ein gelungener historischer Roman, der durch die Erzählperspektive beider Kriegsseiten und außergewöhnlichen Charakteren punkten kann. Jedoch sind die Sprünge und Einwände teilweise verwirrend.