Rezension

Gelungener Grusel-Krimi

Geisterfjord - Yrsa Sigurdardottir

Geisterfjord
von Yrsa Sigurdardottir

Bewertet mit 4 Sternen

In „Geisterfjord“ wechseln sich kapitelweise zwei völlig unterschiedliche Erzählstränge ab, deren Verbindung erst auf den letzten Seiten deutlich wird. Einerseits wird die Geschichte von Katrín, Gardar und Líf erzählt, die in einem verlassenen Dorf weit abseits der Zivilisation ein altes Holzhaus restaurieren wollen. Schon als sie gerade einmal ein paar Stunden dort sind, hören sie mysteriöse Geräusche und bald darauf beginnt es richtig zu spuken, was die drei in Angst und Schrecken versetzt. Parallel dazu gibt dem Psychologe Freyr und der Polizistin Dagný der mysteriöse Selbstmord einer älteren Frau Rätsel auf und die beiden stoßen bald auf Geister der Vergangenheit, die auch in der Gegenwart noch aktiv zu sein scheinen. Freyr plagt zudem das spurlose Verschwinden seines Sohnes ein paar Jahre zuvor und es drängt ihn mehr denn je diesem Geheimnis auf den Grund zu gehen.

Das Buch hat mich bereits nach der Leseprobe sehr fasziniert und die Spannung, die schon zu Beginn aufgebaut wurde, blieb bis zuletzt bestehen. Man musste einfach weiterlesen, weil beinahe jedes Kapitel mit einem Cliffhanger endet und einen umso neugieriger auf die Fortsetzung macht. Die Personen – allen voran Freyr – sind sehr tiefgründig und real beschrieben und man fühlt und leidet das ganze Buch über mit ihnen. Zwischendurch ist die Story wirklich gruselig und wenn dann plötzlich irgendwo wirklich die Dielen knarren, kann das Herz schon mal für einen Schlag aussetzen.  Zarte und schreckhafte Gemüter sollten das Buch also mit Vorsicht genießen. :-)

Die Rezension klingt bisher nach der perfekten Lektüre, allerdings gibt es einen Punkt, der mich an der Handlung sehr gestört hat. Das Buch wird als „Island-Thriller“ bezeichnet und auf der Rückseite sind Zitate wie „Islands Antwort auf Stieg Larsson“ oder „Sigurdardóttir gehört in die erste Riege nordischer Krimi-Autoren“ zu lesen. Womit rechnet man also, wenn man das Buch in die Hand nimmt? Richtig, mit einem Krimi/Thriller (der genaue Unterschied liegt wohl im Auge des Betrachters), der am Ende logisch und vor allem realistisch aufgeklärt wird. Leider nimmt im Geisterfjord das Übersinnliche und Mysteriöse eine sehr hohe Stellung ein und die Geister entpuppen sich am Ende als „real“. Viele Fragen und Vorkommnisse werden nicht geklärt bzw. können nicht erklärt werden. Da ich fest mit einer rundherum logischen Aufklärung gerechnet habe, war ich am Ende etwas enttäuscht. Während des Lesens hatte ich noch still und heimlich gehofft, die unerklärlichen Phänomene mögen doch einen natürlichen Ursprung haben, aber das war wohl etwas naiv von mir. Diesen wichtigen Kritikpunkt kann man eigentlich nicht der Autorin vorwerfen, sondern sollte ihn dem Verlag zuschreiben, der für die Vermarktung zuständig ist. Vergleiche mit Stieg Larsson sind in diesem Fall absolut unangebracht, weil es sich um zwei völlig unterschiedliche Genres handelt. Würde jemand J.R.R. Tolkien mit Charlotte Roche vergleichen, gäbe es einen riesigen Aufschrei. Hier gibt es zwar nur einen kleinen Seufzer von mir, aber ich wage zu behaupten, dass sich daran noch der ein oder andere Krimi-Fan stören könnte.

Alles in allem dennoch ein spannendes und unterhaltsames Buch, das man besser nichts abends alleine im Bett lesen sollte. Wer Gruselstories mag und sich an übersinnlichen Phänomenen nicht stört, wird es lieben!