Rezension

Gelungener Roman

Die Akte Baader - Stefan Schweizer

Die Akte Baader
von Stefan Schweizer

Bewertet mit 5 Sternen

Andreas Baader (1943-1977) ist die zentrale Figur des RAF-Terrors in den 70er-Jahren gewesen. Der geltungssüchtige, gewaltbereite und cholerische Münchener wuchs ohne Vater auf und eckte bereits in seiner Jugend überall an. Von keiner Person, nicht einmal von seiner Mutter, ließ er sich etwas sagen und verließ das Gymnasium nach mehreren Schulverweisen ohne Abschluss. Schon damals war der ewig unstete Baader ein Rebell. Nach einer kurzen Stippvisite in der Münchener Kunstszene zog es ihn nach Berlin, in die Kommune I. Angestachelt durch die 68er-Bewegung wollte auch er, der beruflich keinerlei Ehrgeiz erkennen ließ, etwas bewegen und sich gegen das Establishment auflehnen. Als dann noch die USA den Vietnamkrieg begannen, gab es kein Halten mehr. Gemeinsam mit seiner intellektuellen Lebensgefährtin Gudrun Ensslin wollte er Taten sprechen lassen und setzte 1968 mit ihr das Kaufhaus Schneider in Frankfurt in Brand. Auch wenn das deutsche Pendant von Bonnie und Clyde daraufhin schnell gefasst und inhaftiert wurde, den Revolutionswillen bzw. der Gewaltbereitschaft der Gründungsmitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) tat dies keinen Abbruch. Im Gegenteil, eine militärische Ausbildung in Israel und diverse Straftaten mit selbst hergestellten Bomben in der BRD folgten…

Soweit dürfte die Geschichte hinlänglich bekannt sein. Das Besondere an Stefan Schweizers Fassung ist dessen Aufbereitung als biografischer Kriminalroman. Spannend und faktenbasiert schildert er darin Andreas Baaders Lebensweg, der ihn letztendlich in den Terror führte. Unklarheiten und Fehlstellen innerhalb der RAF-Historie wurden vom Autor derart fachmännisch und realitätsnah beseitigt bzw. ausgefüllt, dass eine flüssig und ungemein interessante Story entstanden ist. Und er zeigt damit, dass Zeitgeschichte mehr als graue Theorie sein kann. Zudem schaut Schweizer hinter die charismatische Macho- bzw. Revoluzzeraura von Andreas Baader und entdeckt dabei eine stets getriebene, schwer drogenabhängige Person, die immer im Mittelpunkt stehen wollte. Mehr noch, Baaders verbale und physische Entgleisungen werden ebenso ungeschönt und damit authentisch wiedergegeben wie sein Hang für Extreme und Monologe. Auf diese Weise kommt Stefan Schweizer der Person Andreas Baader m. E. extrem nahe und macht ihn für alle Leser, die diese Zeit nicht miterlebt haben, fassbarer. 

FAZIT
Eine gelungene Adaption eines interessanten Stücks der deutschen Zeitgeschichte, die ich jedem Leser empfehle, der auf belletristischem Wege seine Geschichtskenntnisse erweitern möchte.