Rezension

Gelungener und ausgewogener Jugendroman

Um 180 Grad - Julia C. Werner

Um 180 Grad
von Julia C. Werner

"Um 180 Grad" von Julia C. Werner ist ein vielschichtiger Jugendroman, der neben dem Ziel die Erinnerungen der Holocaust-Überlebenden lebendig zu halten, auch sehr gekonnt auf die heutige Lebens- und Gefühlswelt von Jugendlichen um die 14 Jahre eingeht.

Gerade diese gelungene Mischung aus Mahnen und Erinnern und den aktuellen Schwierigkeiten Jugendlicher, in denen die Leser sich selbst wieder finden können, macht die Besonderheit dieses Buches aus. Die jungen Leute heute finden gar nicht mehr so richtig den Zugang zu dem großen Unrecht und Leid, das weit vor ihnen passiert ist. Sie kommen aus einer Generation, wo schon die Eltern nicht mehr direkt vom Krieg und seinen Folgen betroffen waren und kennen nur Freiheit, Selbstbestimmung und viele auch, dass sie schnell ihre Wünsche erfüllt bekommen. Schwer sich dann in die Geschichte einzufühlen, vor allem da die Jugend heute ganz eigenen Herausforderungen ausgesetzt ist. Großartig, dass es so gelungene Jugendbücher wie dieses gibt, die den Zugang erleichtern und ein modernes Mahnmal setzen, dabei aber auch nicht die heutigen Schwierigkeiten außer Acht lassen.

Die Umsetzung als Jugendbuch ist wirklich gut gelungen. Lennard ist unglaublich authentisch, es ist leicht sich mit ihm zu identifizieren. Sprache, Verhalten, Überlegungen, alles passt gut zu ihm und seinem Alter. Lennard hat neben seiner zarten Verbundenheit mit Frau Silberstein noch einiges anderes, altersgerechtes im Sinn und ekelt sich auch mal vor dem Alter und dem damit leider verbundenen Verfall.

Frau Silberstein ist beeindruckend. Sie ist eine starke, einfühlsame Frau. So dankbar und sympathisch möchte ich auch bis ins hohe Alter sein. Obwohl fiktiv, ist sie eine inspiriende Frau. "Manchmal muss man einfach beschließen, glücklich zu sein, [...] von alleine, wäre es nicht passiert." Was für weise und allzuwahre Worte.

Dennoch spürt man in Blitzlichtern auch deutlich, dass Frau Silberstein in der Jugend schlimmes erlebt hat, was ihr heute noch zusetzt. Die Momente, wo sie unter ihren Erinnerungen an die Vergangenheit gelitten hat, sind mir sehr zu Herzen gegangen.

Die Annäherung zwischen Lea und Lennard finde ich süß. Die Schilderungen sind sehr realistisch. Ebenso auch die Schilderungen des Familienlebens von Lennard. Das Buch ist authentisch und nachvollziehbar und bringt gerade dadurch das Thema gut rüber und macht es für junge Leser zugänglich.

Mir gefällt die Entwicklung von Lennard unglaublich gut. Er ist, wie er selbst sagt, kein Held, aber er hat einiges an Reife und Einfühlungsvermögen dazu gewonnen. Seine Mama bringt es schön auf den Punkt: "Würden alle Menschen, so wie du jetzt, ein bisschen mehr für andere tun, als sie müssten, wäre unsere Welt wohl ein wenig besser".

"Um 180 Grad" von Julia C. Werner ist ein gelungener, ausgewogener Jugendroman, für den ich eine klare Leseempfehlung aussprechen kann.