Rezension

Gelungenes Krimi-Debüt

Der falsche Preuße - Uta Seeburg

Der falsche Preuße
von Uta Seeburg

Bewertet mit 4.5 Sternen

»Im Bier wie im Tod sind in Bayern alle gleich.«

INHALT

München zur Jahrhundertwende. Es ist die Zeit der pferdegezogenen Trambahnen, der riesigen Bierpaläste und der gebratenen Kapaune. Und es ist der Beginn einer jungen Wissenschaft namens Kriminalistik. Wilhelm Freiherr von Gryszinski zieht von Preußen nach Bayern, um als Sonderermittler für die Königlich Bayerische Polizeidirektion tätig zu werden und den Beamten Errungenschaften wie den Fingerabdruck und die Spurensicherung am Tatort näherzubringen. Sein erster Fall: Ein stadtbekannter Bierbeschauer wird tot an der Isar gefunden - eingehüllt in einen kostbaren Federumhang, daneben der Abdruck eines Elefantenfußes. Gryszinski kommt bald einer Verschwörung nationalen Ausmaßes auf die Spur, die ihn vor eine unsägliche Wahl stellt: Ist er eher bereit, seine Ehre als bayerischer Beamter zu verletzen oder als preußischer Offizier?

(Quelle: Harper Collins)

MEINE MEINUNG

Der fesselnde, historische Kriminalroman »Der falsche Preuße« ist das äußerst gelungene Debüt der deutschen Autorin Uta Seeburg und stellt den vielversprechenden Auftakt einer neuen Krimi-Reihe um den faszinierenden Ermittler Hauptmann Freiherr Wilhelm von Gryszinski dar.

Hierin entführt sie uns nach München in die Hauptstadt des Königreiches Bayern im Jahre 1894 – eine faszinierende Metropole im Wandel der Zeiten, an der Schwelle zwischen althergebrachten Traditionen und der alles verändernden Moderne. Der Wirtschaftsaufschwung und gesellschaftliche Wandel sorgen jedoch nicht nur für Wohlstand und aufblühende Münchner Bürgerkultur, sondern lassen ebenfalls Armut, Hunger und Kriminalität in der wachsenden Bevölkerung ansteigen. Auch im Königreich Bayern stellt sich vermehrt die soziale Frage.

Lebendig und atmosphärisch dicht portraitiert Seeburg das facettenreiche Alltagsleben Münchens und lässt uns am Leben der Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten teilhaben. Hierbei benutzt sie eine ungewöhnlich anspruchsvolle, herrlich antiquiert wirkende Sprache, die uns auch sprachlich gekonnt ins 19. Jahrhundert zurückversetzt. Die Autorin vermittelt ein sehr stimmiges, authentisches Bild der damaligen Zeit, streut immer wieder historische Fakten ins Geschehen ein und vermittelt uns sogar spannende, sehr authentische Einblicke in die kriminalistische Ermittlungsarbeit. Die Kriminalistik war ebenfalls vom Fortschritt erfasst und die geschickt in die Handlung eingewobenen kriminalistischen Details zeigen, dass auch innovative Methoden bei der alltäglichen Aufklärung von Verbrechen Einzug hielten. So lässt es sich der Protagonist, Sonderermittler und Brigade-Kommandant des Königlich Bayrischen Gendameriekorps Gryszinski nicht nehmen, seinen neuen Tatortkoffer stets zu seinen Einsätzen mitzunehmen. Jedem Kapitel vorangestellt ist ein passendes Zitat aus dem 1893 erschienen “Handbuch für Untersuchungsrichter, Polizeibeamte, Gendarmen usw.“, des berühmten Strafrechtlers, Kriminologen und Begründer der Kriminalistik Hans Groß.

Der Krimi lebt neben den unglaublich anschaulich und lebendig geschilderten Schauplätzen vor allem von seinen teilweise recht skurrilen, vielschichtig angelegten Figuren, die mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet sind. Hervorragend gefallen hat mir der sympathische, erst kürzlich mit Frau und Kind  von Berlin nach München übersiedelte Ermittler Wilhelm von Gryszinski, den die Autorin als faszinierenden, tiefgründigen Protagonisten mit interessanter Vergangenheit zeichnet. Geprägt von den preußischen Tugenden  Gehorsam, Pünktlichkeit, Ordnung und Fleiß kann er auch der Wirthauskultur seiner neuen Wahlheimat mit bayerischer Gemütlichkeit und Geselligkeit sowie gutem Essen durchaus etwas abgewinnen und findet sich in die besondere bayerische Mentalität gut ein. Als bayerischer Ermittler bei seinem ersten, hochkomplexen Mordfall ist er ganz schön gefordert, doch als er sich ganz unverhofft auch noch als unfreiwilliger preußischer Spion betätigen soll, gerät er in gewaltige Gewissenskonflikte und weiß oft nicht, wem seine Loyalität gelten soll.

Wir begleiten Gryszinski bei seiner rastlosen und in jeglicher Hinsicht herausfordernder Ermittlungsarbeit zu seinem komplizierten Mordfall, bei dem sich erst per Zufall eine heiße Spur auftut. Gemeinsam mit ihm tauchen wir ein in die faszinierende und herrlich skurrile Welt des Hauptverdächtigen Eduard Lemke mit seiner protzigen Fantasievilla in Bogenhausen – seines Zeichens eine sehr suspekte Figur mit dekadentem Lebensstil, ein preußischer Emporkömmling höchst fragwürdigen Charakters, dessen mysteriöse Machenschaften Gryszinski für den Preußischen Gesandten in München aufdecken und ihn des Hochverrats soll. Nur gut, dass er bei seinen Ermittlungen nicht nur auf die tatkräftige Unterstützung seiner beiden aufrechten Wachtmeister und verschiedenen Spezln zurückgreifen kann, sondern auch seine mutige Haushälterin von unschätzbarer Hilfe ist.

Auch wenn die unglaublich opulente, abwechslungsreiche Geschichte bisweilen etwas bizarre Wendungen aufweist, konnte mich der gut konstruierte, sich immer rasanter entwickelnde Kriminalfall bestens unterhalten und durchgängig fesseln.Ich freue mich schon sehr auf eine Fortsetzung dieser gelungenen historischen Krimi-Reihe mit einem neuen, fesselnden Fall und hoffe auf ein baldiges Wiedersehen mit Gryszinski und vielen liebgewonnenen Charakteren.

FAZIT

Ein fesselnder, atmosphärisch dichter historischer Kriminalroman mit faszinierenden Charakteren, der uns gekonnt ins München des 19. Jahrhunderts abtauchen lässt. Sehr lesenswert für Fans von historischen Romanen und Krimis mit viel zeitgeschichtlichem Flair!